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Der Geisterfahrer

Der Geisterfahrer

Titel: Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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schieben. Erschrocken blickten diese zurück. Das Himmelbett der jungen Herrin war wohl fast so etwas wie ein Thron.
    »Ihr müsst«, sagte Sabina, »hopp, hopp!«, und als die beiden Frauen nun auf das Bett krochen und die Kreißende unter den Schultern hielten und aufstützten, zog Sabina diese nach vorn, bis ihr Becken auf der Bettkante lag.
    Die Dienerin mit dem kalten Wasser war zurück.
    »Mach ein Tuch nass und leg es ihr auf die Stirn«, sagte Sabina.
    Mechthild stöhnte auf, die Dienerin tat sofort, wie man sie geheißen hatte.
    »Ist eine von euch Hebamme?«, fragte Sabina.
    Keine reagierte. Dann fiel ihr das alte Wort ein.
    »Wehmutter?«

    Eine alte, erfahrene Hebamme hätte sie sich jetzt gewünscht, doch zu ihrem Bedauern verneinten alle fünf Frauen, und Mechthild schrie qualvoll auf. Das Kind wollte endlich heraus.
    Sabina musste handeln und versuchte sich verzweifelt die nötigen Griffe in Erinnerung zu rufen.
    Sie bat die Mägde, Mechthild wieder niederzulegen, und schob Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand langsam in die Vagina, suchte, tastete, drückte seitwärts und wieder zurück, fand die Haltepunkte nicht, die sie brauchte, aber ihre Finger suchten weiter, bis sie endlich auf die Vertiefungen der Fontanellenansätze stießen.
    »So, Mechthild«, sagte Sabina, »jetzt kannst du mir helfen, ich muss das Kind ein bisschen drehen. Drücke, so fest du kannst.«
    Mechthild schüttelte wimmernd den Kopf.
    »Doch«, sagte Sabina, »doch, du kannst! Ich weiß, dass du es kannst.«
    Und während Mechthild tief aufatmend zu pressen begann, versuchte Sabina mit ihren gespreizten Fingern das Köpfchen festzuhalten, was ihr zu ihrer Verwunderung auch gelang, und in jeder Wehe wendete sie es, so weit sie konnte. Nach vier Kontraktionen war es so weit, dass der Kopf ins Becken eintrat und sich nicht mehr zurückdrehte.
    Sabina atmete auf.
    »Gut gemacht!«, sagte sie zu Mechthild, und auch ein wenig zu sich selbst.
    Sie hatte nicht geglaubt, dass sie das mit der bloßen Hand zustande brächte.

    Wenn sie Glück hatte, ging die Geburt nun auf normale Weise weiter, schließlich war der Kopf bei der engsten Stelle schon durch. Sabina horchte immer wieder die Herztöne ab, die unverändert blieben, und merkte bald, dass sie kein Glück hatte, denn es ging und ging nicht vorwärts. Sie rieb sich die Hände nochmals mit Branntwein ein, was Anna und Maria fast nicht verstehen konnten, machte nochmals eine vaginale Untersuchung, und dann wurde ihr klar, dass das Köpfchen nicht in normaler Position, sondern hinten voran lag und dass es Mechthild, schon aufs Äußerste erschreckt und erschöpft, kaum schaffen würde, das Kind ohne eine mechanische Hilfe zur Welt zu bringen.
    Eine Glocke wäre das Hilfreichste gewesen, oder mindestens eine Zange, doch Sabina hatte weder das eine noch das andere. Der Rücken schmerzte sie, sie erhob sich, stemmte die Hände in die Hüften und bog den Oberkörper nach hinten. Da spürte sie die Weidengerte, die sie sich in den Gürtel gesteckt hatte, und auf einmal kam ihr von weither eine Abbildung aus einem alten gynäkologischen Werk in den Sinn.
    Sie zog die Gerte aus dem Gürtel, tauchte sie ins heiße Wasser und begann sie vorsichtig zu biegen, bis sie die Form einer Schlinge hatte.
    »Anna, etwas heißes Wasser in einen Becher, und Branntwein dazu.«
    Sie kniete wieder nieder, mit der gebogenen Rute in beiden Händen.
    Die Branntweinmischung war bereit.
    »Mechthild, trinken«, sagte Sabina, »das tut dir gut!«

    Anna hielt ihr den Becher hin, und Mechthild nahm einen Schluck. Sie riss vor Schreck den Mund auf.
    »Noch einen«, sagte Sabina, »Medizin!«, und Mechthild nahm noch einen.
    »Brav«, sagte Sabina, »brav! Und jetzt noch den letzten!« , und während Mechthild ihren Ekel überwand und das Getränk hinunterschluckte, das sie wärmte und schwindlig machte, bat Sabina die beiden Mägde auf dem Bett, ihre Herrin gut zu halten, und fragte Maria, ob sie Mechthilds Beine noch etwas mehr spreizen könne.
    »Keine Angst, wir helfen dir«, sagte sie zur Gebärenden, aber diese ließ mit einem Stöhnen den Kopf sinken und fiel ihn Ohnmacht.
    »Kaltes Wasser ins Gesicht!«, rief Sabina, »schnell!«, denn gerade jetzt brauchte sie Mechthilds Mithilfe. Die Dienerin rieb ihr mit einem frischen Tuch Stirn und Wangen ab, jedoch Mechthilds Körper weigerte sich, bei diesem Martyrium mitzumachen, und ihr Pressdrang setzte aus.
    Behutsam schob nun Sabina die Weidengerte in die

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