Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
erwiderte Starkey verächtlich. »Man kann ihn foltern, so lange man will. Der Körper heilt
sich immer wieder selbst, wenn man es nicht übertreibt.«
»Diese Kreatur gehört nicht zu unserer Art«, erwiderte Abu Dun.
»Sie ist etwas, das nicht sein darf.«
Starkeys Blick nach zu urteilen, war er anderer Ansicht, aber er war
immerhin klug genug, seine Meinung für sich zu behalten. »Ich wiederhole meine Frage«, fuhr er in scharfem Ton fort. »Was suchst du
hier? Was willst du von diesem Mann?«
Abu Dun wandte betont langsam den Kopf, stand auf und stieß sich
prompt den Schädel an der niedrigen, gewölbten Decke. »Ich hatte
ein paar Fragen an ihn«, antwortete er. »Und er hat sie mir beantwortet. Ohne dass ich ihn foltern musste.«
»Fragen?«, wiederholte Starkey verächtlich. »Glaub mir, Heide, es
gibt nichts, was er uns nicht gesagt hätte.«
»Vielleicht habt Ihr aber die falschen Fragen gestellt«, erwiderte
Abu Dun lächelnd. Dann wandte er sich zu Andrej um. »Ich brauche
deine Hilfe, Hexenmeister.«
»Wozu?«, fragte Andrej misstrauisch, doch Abu Dun schüttelte beharrlich den Kopf.
»Ich will dir etwas zeigen. Es ist höchst interessant. Du wirst verstehen, wenn du es gesehen hast.«
Andrej zögerte. Etwas stimmte nicht, das spürte er genau. Da war
etwas in Abu Duns Stimme, das ihn warnte. Aber er konnte das Gefühl nicht in Worte fassen. Widerwillig trat er auf den Korridor hinaus, befestigte die Fackel in einer der dafür vorgesehenen Halterungen an der Wand und ging dann wieder zu Abu Dun und Starkey
zurück in die Zelle.
Der Nubier hatte den Augenblick genutzt, um Romegas grob in die
Höhe zu zerren und wie eine willenlose Puppe gegen die Wand zu
lehnen. Er bedeutete Andrej mit einer Geste, ihn dort festzuhalten,
dann beugte er sich herab und bog ohne sonderliche Anstrengung die
eisernen Hand- und Fußfesseln auseinander, mit denen Romegas an
die Mauer gekettet war.
»Was tust du da?«, keuchte Starkey.
»Seht Ihr das nicht, Ritterlein?«, fragte Abu Dun fröhlich. »Ich befreie ihn.« Klirrend fiel die letzte Kette zu Boden und die Jammergestalt, die einmal ein Ritter und Edelmann gewesen war, brach in
Andrejs Armen zusammen. Er fing ihn auf und erschrak, als er spürte, wie viel Gewicht Romegas innerhalb kürzester Zeit verloren hatte.
Er war so abgemagert, dass man jeden Knochen unter seiner Haut
fühlte, und wog vielleicht noch neunzig Pfund, wenn nicht weniger.
»Und warum?«, fragte nun auch er.
»Weil ich es ihm versprochen habe«, antwortete Abu Dun. Er griff
nach Romegas’ zum Skelett abgemagertem Arm und legte ihn sich
um die Schulter.
»Was hast du ihm versprochen?«, fragte Andrej verstört. Das ungute Gefühl in ihm nahm zu.
»Ihm die Freiheit zu schenken«, antwortete Abu Dun. »Und du
kennst mich - ich halte stets mein Wort.«
Als Andrej zu Bewusstsein kam, was Abu Dun da gerade gesagt
hatte, war es zu spät. Es gelang ihm noch, die Arme hochzureißen,
doch Abu Duns gewaltige Faust durchbrach seine Deckung mühelos
und traf ihn mit solcher Wucht in den Leib, dass er zurückstolperte
und hart gegen die Wand prallte. Noch während er zu Boden sank
und zu begreifen versuchte, was gerade geschehen war, stieß Abu
Dun auch Sir Oliver unsanft in die Zelle zurück und war mit einem
einzigen Schritt draußen auf dem Gang.
»Macht euch keine Sorgen«, sagte er. »Sobald wir draußen sind,
schicke ich jemanden, der euch befreit.«
Das war das Letzte, was Andrej hörte. Abgesehen von dem dumpfen Geräusch, mit dem die Tür ins Schloss fiel, und dem unverkennbaren Scharren eines schweren Riegels, der vorgelegt wurde. Die
Dunkelheit, die über ihnen zusammenschlug, war vollkommen.
Abu Dun hielt Wort, wenn auch nicht so schnell und auch nicht auf
die Art, die sie erwartet hatten.
    Es verging eine ganze Weile, bevor sich der Riegel vor der Zellentür wieder öffnete. Andrej hatte inzwischen jegliches Zeitgefühl verloren und konnte nicht sagen, wie lange ihre Gefangenschaft gedauert hatte. Nachdem er seine Überraschung überwunden und sich aufgerappelt hatte, hatte er sich in blinder Wut ein paar Mal mit aller
Kraft gegen die Tür geworfen - mit dem einzigen Ergebnis, dass er
sich übel die Schulter geprellt hatte und anschließend noch wütender
geworden war. Die Tür hatte sich von seinen Anstrengungen höchst
unbeeindruckt gezeigt und zu allem Überfluss hatte er sich auch noch
abwechselnd Starkeys Vorwürfe und seinen Spott anhören müssen,
wobei die

Weitere Kostenlose Bücher