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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Männer mit Feuer
erweisen.«
Einige der Männer grinsten.
»Damit meine ich das Stückchen Lunte, was hier baumelt.« Andrej
schlug sich auf ein rußgeschwärztes, mit Bohrlöchern durchsetztes
Stückchen Kupferrohr, das an seinem Gürtel hing. Am oberen Ende
des Rohres saß ein breiter Klappdeckel, der ein wenig an die Zinndeckel von Bierhumpen erinnerte. Andrej nahm das Rohr vom Gürtel,
führte es an die Lippen und blies durch die Luftlöcher. Im Inneren
des Rohres glühte ein Funke auf.
»Hier drinnen befindet sich ein dickes Stück langsam brennender
Lunte. Wenn sie verlischt, könnt ihr eure Musketen allenfalls noch
als Keulen benutzen. Diese Lunte blast ihr an, damit sie tüchtig
glüht, und klemmt sie dann hier an diesem Hebel ein.«
Er prüfte, ob die Zündlunte in der Öse am schlangenförmig gewundenen Schlaghahn der Muskete festsaß.
»Nun erst ist die Waffe schussbereit.«
Er schwenkte seine Muskete auf der Gabel in Richtung einer verfallenen Bruchsteinmauer, auf deren Kamm er zuvor einige sorgsam
ausgewählte Steine platziert hatte. Andrej kniff die Augen zusammen
und peilte über das Rohr sein Ziel an. Als er abdrückte, ließ eine Metallfeder den Schlaghahn mit der glimmenden Lunte in die Pulverpfanne schnappen. Ein Funkenregen stob auf und brannte sich in
seine Wange, als das feine Pulver aufloderte und die Treibladung im
Rohr zündete. Weißer Rauch schoss mit einem dumpfen Krachen aus
dem Lauf der Waffe und ihr Kolben versetzte ihm einen harten
Schlag gegen die Schulter. Von der Mauer her war ein scharfer Knall
zu hören. Steinsplitter surrten davon.
Andrej hustete, richtete sich hastig wieder auf und rieb sich die
Tränen fort, die ihm der beißende Pulverrauch in die Augen getrieben hatte. Hinter ihm erklang vereinzelt schadenfrohes Gelächter.
»Immerhin hat unser tapferer Ritter die Mauer getroffen«, erklang
die Stimme des Blonden.
Andrej hob resignierend die Schultern. »Ich bin kein besonders guter Schütze«, log er. »Eigentlich ziehe ich es vor, mit nichts als einem Schwert in der Hand in die Schlacht zu reiten.« Er drehte sich
wieder zu den Männern herum und lächelte. »Das ist das Privileg des
Adels, wisst ihr? Nach der Schlacht liegen wir Privilegierten nur leider oft in Haufen tot vor den Reihen der Musketiere. Wenn die Türken versuchen, unsere Mauern zu stürmen, werden sie in solchen
Massen kommen, dass sie euch wie eine lebendige Mauer erscheinen
werden. Sogar ich werde dann treffen. Und jetzt habt ihr Gelegenheit, es besser zu machen. Der Großmeister zahlt ein Silberstück als
Prämie für jeden, der es schafft, mit seinem ersten Schuss einen der
Steine von der Mauer zu holen. Denkt an die Männer, die am Tor
stehen und auf eine Vorstellung von Bauerntölpeln warten.«
Er gab den Männern, die behauptet hatten, bereits Übung im Umgang mit Feuerwaffen zu haben, einen entsprechenden Wink, hob
dann aber noch einmal die Hand, als der Erste sein Gewehr anlegen
wollte.
»Enttäuscht mich nicht, oder ich werde diese Insel als armer Mann
verlassen. Wenn ihr mir helft, die Wette zu gewinnen, werde ich das
Geld meiner Ordensbrüder heute Abend mit großem Vergnügen zusammen mit euch im Gasthaus unten im Dorf ausgeben. Und nun
beginnt.«
Während die Männer mit ihren Ladestöcken zu hantieren begannen
und sich dabei so ungeschickt anstellten, dass Andrej sich auf die
Zunge beißen musste, um nichts zu sagen, trat Abu Dun wie zufällig
an seine Seite. »Ich schätze, du hast absichtlich daneben geschossen«, flüsterte er.
»Vielleicht«, antwortete Andrej achselzuckend. »Vielleicht habe
ich aber auch auf die Mauer gezielt.«
Von den angeblich erfahreneren Schützen schafften es vier, auf
Anhieb einen der Steine auf der Mauer zu treffen, einer von ihnen
war Pedro. Wie versprochen, entließ Andrej diese Männer daraufhin
aus der Schießübung und widmete sich ganz den anderen, die noch
niemals eine Feuerwaffe in den Händen gehalten hatten. Bis sie ihr
weniges Pulver verschossen hatten, gelang es nur Gregorio, einen
Stein zu treffen. Andrej hätte ohne zu zögern einen Monatssold darauf verwettet, dass das purer Zufall gewesen war. Aber immerhin
hatte der Großteil der Männer wenigstens die Mauer getroffen.
Wie sich zeigte, waren die Fischer und Bauersleute mit dem Ergebnis ihrer Übung jedoch sehr zufrieden. Sie grinsten einander mit pulververschmierten Gesichtern an, als sie die schweren Waffen auf den
Schultern zum Tor zurücktrugen und dabei

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