Der Gejagte
um Euch und Eure Brüder zu verteidigen? Was haben wir mit der Sache zu tun?«
Andrej wollte antworten, doch Abu Dun kam ihm zuvor. Er war
mittlerweile direkt hinter dem Blondschopf angelangt.
»Nichts«, sagte er.
Der Blonde fuhr erschrocken herum und prallte dann noch erschrockener einen halben Schritt zurück, als er den zwei Meter großen
Koloss mit dem nachtschwarzen Gesicht unversehens über sich aufragen sah.
Abu Dun fuhr lächelnd und in unverändert beiläufigem Ton fort:
»Abgesehen davon, dass sich die Türken vielleicht für eure Frauen
und Töchter interessieren könnten, wenn sie schon einmal auf der
Insel sind. Ach ja - diejenigen von euch, die nicht allzu krumm gewachsen sind, werden sich vielleicht als Galeerensklaven wiederfinden. Ein paar von den Älteren erinnern sich sicher noch, dass die
Türken und die Piraten aus Tunis und Algier früher fast jedes Jahr
nach Malta gekommen sind, um sich mit Sklaven einzudecken. Ich
bin nicht sonderlich in der Geschichte eures jämmerlichen Inselchens
bewandert, doch ich meine mich erinnern zu können, dass das so
langsam aufgehört hat, seit die Johanniter ihr Banner auf diesem kahl
gefressenen Felsen aufgepflanzt haben.«
Der Blonde wich weiter zurück. Dann gab er sich einen sichtbaren
Ruck und straffte herausfordernd die Schultern. Wäre Abu Dun nicht
fast doppelt so groß und viermal so schwer gewesen wie er, hätte es
sogar überzeugend wirken können.
»Was mischst du dich ein, Mohr?«, fragte er. »Woher wissen wir
überhaupt, dass du kein Spion bist, den sie uns wie eine Laus in den
Pelz gesetzt haben?«
Andrej dankte Gott im Stillen dafür, dass Abu Dun in den letzten
Jahren merklich ruhiger geworden war. Ein oder zwei Jahrzehnte
zuvor hätte er dem Mann allein für diese Worte das Genick gebrochen. Der Nubier kam jedoch gar nicht dazu, etwas zu sagen, denn in
diesem Moment trat Pedro zuerst an seine Seite und dann ostentativ
direkt zwischen ihn und den Blonden.
»Ich weiß, dass er auf unserer Seite steht«, sagte er.
»Ach?«, fragte der Blonde böse. »Und woher, mein Junge?«
Er grinste breit. »Ich frage mich eher, womit er mehr Zeit verbringt:
auf unserer Seite zu stehen oder auf deiner Mutter zu liegen?«
Abu Duns bisher unerschütterliches Lächeln erlosch schlagartig
und Andrej spürte, wie die Stimmung im Bruchteil eines Augenblickes umschlug. Pedro reagierte jedoch ganz anders, als er erwartet
hatte. Rasch hob er die linke Hand, um Abu Dun zurückzuhalten,
und sah dem Blonden ruhig und mit großem Ernst in die Augen.
»Ich verbürge mich für ihn«, sagte er. »Und meine Mutter tut es
auch. Ihr alle kennt sie, so wie ihr meinen Vater gekannt habt. Ihr
wisst, dass sie sich niemals mit einem Mann einlassen würde, der es
nicht ehrlich mit ihr meint.«
»Ja, das stimmt«, sagte der Blonde spöttisch. Er sah kurz über die
Schulter zu Andrej zurück. »So wie sie sich auch niemals mit einem Ritter einlassen würde.«
»Abu Dun hat Recht mit dem, was er über die Türken sagt«, beharrte Pedro. »Und ihr alle wisst das, genau wie ich.«
»Was weißt du schon von den Türken?«, wollte der Blonde wissen.
»Du bist ja noch ein halbes Kind.«
»Ich bin alt genug, um mich daran zu erinnern, was geschehen ist,
als die Türken das letzte Mal nach Malta kamen«, antwortete Pedro.
»Sie haben die Schwester meines Vaters verschleppt und ihren Mann
zum Krüppel geprügelt. Ich warte schon lange darauf, es ihnen heimzuzahlen.« Er schlug mit der flachen Hand auf den Kugelbeutel an
seinem Gürtel, den er ebenso wie die Waffe seines Vaters von zu
Hause mitgebracht hatte. »Ihr habt meinen Vater gekannt und ihr
kennt mich. Uns liegt nichts an Silber und Schätzen, aber was unsere
Schulden angeht…« Er schlug erneut auf das kleine Leinensäckchen.
»… die zahlen wir zurück. Und zwar in Blei.« Er deutete auf Andrej.
»Vielleicht habt ihr Recht und die Ritter sind arrogant. Wenn die
Türken wieder fort sind, dann werde ich mir mit Freuden zusammen
mit euch das Maul über sie zerreißen und euch helfen, sie zu betrügen, wenn ihr sie mit Fisch beliefert, so gut ich kann. Aber jetzt
brauchen wir sie. Sie haben eine feste Mauer um unser Dorf gebaut
und Kanonen hierher gebracht. Sie haben Waffen für jeden von uns
in ihren Arsenalen und genügend Pulver, dass selbst der Leibhaftige
in der Hölle uns hören wird, wenn wir einmal mit dem Schießen angefangen haben. Am wichtigsten aber ist, dass sie wissen, wie man
die Türken
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