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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Mann auf hundert Schritte zu töten und auf
fünfzig durchschlägt sie jeden Harnisch. Aber bei einer Belagerung
kommt es auf jeden Schuss Pulver an. Geht uns das Pulver aus, nutzen euch die Musketen weniger als eure Fäuste oder eure Messer.
Schießt auf keinen Feind, der weiter als dreißig Schritte von euch
entfernt steht, und schießt nur, wenn ihr auch sicher seid zu treffen.
Unsere Feinde werden euch jede Gelegenheit dazu geben. Sie werden sich in Massen vor den Mauern tummeln und jedem, der einen
Blick über die Zinnen riskiert, den Kopf wegschießen wollen. Wann
immer ihr also selbst schießen wollt, haltet zunächst einen Helm oder
Hut über die Zinnen. Denkt euch etwas aus, was die Scharfschützen
dazu verleitet, ihre Musketen abzufeuern. Wenn das geschehen ist,
habt ihr ungefähr fünfzig Herzschläge Zeit, eure Waffe auf die Mauer zu legen, euch ein Ziel zu suchen und zu feuern. Inzwischen werden die Janitscharen nachgeladen haben, und wehe dem, der sich
dann noch in Reichweite ihrer Musketen befindet.«
»Janitscharen?«, fragte einer der Männer.
»Die Elitetruppen des Sultans«, antwortete Andrej. »Soviel ich
weiß, wird er etliche Tausend von ihnen mitbringen und es gibt manche unter ihnen, die schon von Kindesbeinen an im Umgang mit
Musketen gedrillt worden sind. Unterschätzt sie also nicht. Das ist
einer der Fehler, die man im Allgemeinen nur einmal begeht.«
Seine Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Das Gelächter war
verstummt, das Grinsen von den Gesichtern verschwunden. Die
Männer wirkten plötzlich bedrückt. Aber genau das hatte Andrej erreichen wollen. Krieg war kein Spiel. Sie sollten Angst haben. Angst
war vielleicht der beste Verbündete, wenn es darum ging, zu überleben.
»Ich werde nun für alle einmal zeigen, wie man mit einer Muskete
umgeht«, fuhr er fort, während er seine eigene Waffe zur Hand
nahm. »Leider haben wir für unsere Übungen nur drei Schuss pro
Mann, mehr hat man mir in der Pulvermühle nicht ausgehändigt. Es
muss also reichen, um das Schießen zu lernen. Alle die, die im Umgang mit Feuerwaffen schon Erfahrung haben, werden nur einen
Schuss abgeben, damit die anderen mehr Pulver zur Verfügung haben.«
Andrej griff nach dem breiten Leder-Bandelier, das er über der
Brust trug, und löste eine der schon vorbereiteten Pulverladungen,
die daran hingen. Musketenpulver war in ein Kupferröhrchen abgefüllt und mit einem Lederüberzug versehen worden.
»Das hier«, erklärte er, während er das Röhrchen in die Höhe hob
und am ausgestreckten Arm schwenkte, sodass jeder es sehen konnte,
»nennt man einen Apostel. In einer Feldschlacht kann er euch das
Leben retten, weil ihr mit seiner Hilfe schneller schießen könnt. Die
Pulvermenge darin entspricht zwei Drittel des Gewichtes einer Kugel. Tut ihr mehr Pulver in den Lauf, lauft ihr Gefahr, dass euch die
Waffe in den Händen explodiert, wenn ihr sie abschießt. Nehmt ihr
weniger, wird die Kugel schon nach kurzem Flug zu Boden fallen
oder keine Wirkung mehr haben, wenn sie trifft.«
Er zog den Korkpfropfen mit den Zähnen von dem Kupferröhrchen,
stützte den Kolben der Muskete gegen seinen linken Fuß und schüttete das Pulver in den Lauf. Mit der Rechten griff er nach dem Kugelbeutel an seinem Gürtel, nahm eine der Bleikugeln heraus und
ließ sie in den Lauf fallen. Es folgte ein kleiner, gefetteter Stofffetzen, der dazu diente, die Ladung abzudichten, damit der Schuss nicht
im Rohr verpuffte oder die Kugel etwa bei einer unvorsichtigen Bewegung wieder herausrollte. Schließlich zog er den hölzernen Ladestock aus seiner Halterung unter der Muskete, um mit einem energischen Stoß Kugel und Abdichtung bis zur Pulverladung am Grunde
des Rohres zu treiben. Andrej zog den Ladestock zurück und schob
ihn wieder unter das Rohr. Er stützte die schwere Waffe auf die einbeinige Musketengabel und hielt sie nur mit der Linken, während
seine Rechte zum Gürtel fuhr, um seine Zündkrautflasche loszuhaken, ein kleines Fläschchen aus getriebenem Blech, das besonders
fein gemahlenes Pulver enthielt. Er füllte ein wenig davon in die
Pfanne über dem Zündloch der Muskete, dann ließ er die Feder im
Deckel der Zündkrautflasche zurückschnappen und hängte sie wieder
an seinen Gürtel. Der ganze an sich recht komplizierte Vorgang hatte
nur wenige Augenblicke in Anspruch genommen.
»Da wir keine Schnappschlösser an unseren Musketen haben wie
unser Freund Pedro hier, müssen wir uns wohl als

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