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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dann fehlte nur ein wenig verschüttetes Pulver, um
eine Katastrophe auszulösen.
    Andrej fragte sich, warum man ihn dorthin geschickt hatte.
Er hatte die Küste auf schnellstem Wege verlassen und die schmale
Schlucht, in der er sein Pferd verborgen hatte, ohne weitere Zwischenfälle erreicht. Er war geritten wie der Teufel, um noch vor Sonnenaufgang nach Birgu zurückzukommen. Tatsächlich hatte er St.
Angelo fast zwei Stunden vor Anbruch der Dämmerung erreicht und
sofort mit allem Nachdruck darauf bestanden, La Valette oder Starkey zu sprechen. Doch statt in die Gemächer des Großmeisters hatten
ihn zwei grimmig dreinblickende Ritter, die all seine verwirrten Fragen nur mit finsteren Blicken und unbewegtem Gesicht beantworteten, herunter in die Kasematten des Forts gebracht und ihm beschieden, dort auf den Großmeister zu warten.
Genau das tat er nun seit einer guten Stunde. Er hatte zweimal versucht, die Kammer zu verlassen, und war beide Male von denselben
Männern, die ihn heruntergeführt hatten, daran gehindert worden -
höflich, respektvoll und mit großem Nachdruck. Hätte es auch nur
einen Grund für diese Annahme gegeben, Andrej wäre sicher gewesen, dass man ihn als Gefangenen betrachtete.
Endlich erklangen draußen auf dem Gang Schritte. Andrej drehte
sich ungeduldig zur Tür herum. Scharrend wurde sie geöffnet und La
Valette und Sir Oliver Starkey traten ein, dicht gefolgt von einem der
Menschen, die Andrej im Augenblick am wenigsten auf der ganzen
Welt zu sehen wünschte: Chevalier de Romegas. Andrej enthielt sich
jeden Kommentars, legte aber viel sagend die Stirn in Falten. Zumindest Sir Oliver reagierte mit einem angedeuteten Lächeln darauf.
Bevor sich die Tür hinter den dreien wieder schloss, erhaschte Andrej einen raschen Blick auf den Gang hinaus. Zu den beiden Männern, die ihn über eine Stunde geduldig bewacht hatten, hatten sich
noch weitere Ritter gesellt. Sein ungutes Gefühl wuchs.
»Chevalier de Delãny«, begann La Valette. Seine Stimme klang
müde. Keiner der Männer schien diese Nacht viel Schlaf bekommen
zu haben. »Ich hoffe, Ihr bringt gute Nachrichten?«
Andrej musste nicht in die Gesichter der beiden anderen blicken,
um zu wissen, dass das eine reine Floskel war. La Valette interessierte sich nicht im Geringsten für die Antwort auf seine eigene Frage.
Er hatte ihn auch nicht dort herunterbringen lassen, um sich seinen
Bericht anzuhören. Trotzdem antwortete er, indem er bedauernd den
Kopf schüttelte: »Ich fürchte, nein«, sagte er. »Sie sind bereits gelandet. In der Bucht von Marsascirocco, wie Ihr es erwartet hattet.«
»Die ganze Flotte?«, fragte La Valette. Wieso hatte Andrej bloß
den Eindruck, dass ihn auch die Antwort auf diese Frage nicht interessierte?
»Nein, aber ein großer Teil. Über hundert Schiffe, schätze ich. Sie
haben bereits damit begonnen, die Geschütze zu entladen und Truppen an Land zu bringen.« Er wartete vergeblich auf eine Reaktion
auf diese Eröffnung, die sowohl La Valette als auch die beiden anderen im Grunde zutiefst hätte erschüttern müssen, und fuhr dann fort:
»Ich fürchte, ich bringe auch keine guten Nachrichten von Marschall
Cocier. Ich habe ihn selbst nicht zu Gesicht bekommen, doch die
Türken haben wenigstens zwei seiner Begleiter gefangen genommen.« Er berichtete mit knappen, möglichst emotionslosen Worten,
was er gesehen und vor allem gehört hatte. Die drei Männer hörten
schweigend zu, doch in Starkeys Augen erschien so etwas wie ein
Ausdruck flüchtiger Bewunderung, als Andrej erzählte, was der Novize getan hatte.
»Ein tapferer Junge«, sagte er anerkennend, nachdem Andrej zu
Ende gekommen war. Von dem Dämon hatte er nichts erzählt. Nicht,
solange Romegas im Raum war. »Suleimans Truppen werden eine
blutige Überraschung erleben, wenn sie die Festung der Kastilier
erstürmen wollen«, sagte Romegas zufrieden. Starkey fügte leise und
ein wenig traurig hinzu: »Ja, und dieser mutige junge Bursche wird
den Preis dafür bezahlen.«
»Habt Ihr denn nichts getan, um diese beiden aufrechten Männer zu
retten?«, wollte Romegas wissen.
Andrej würdigte ihn keiner Antwort, doch Starkey hob rasch die
Hand und brachte den Ritter mit einer unwilligen Geste zum Verstummen.
»Das tut jetzt nichts zur Sache«, sagte er. Er tauschte einen raschen,
fragenden Blick mit La Valette und fuhr erst fort, als ihm dieser mit
einem fast unmerklichen Nicken sein Einverständnis signalisiert hatte. »Das sind

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