Der Gejagte
an der die beiden Ritter im Sand
knieten, ragte eine Felsnase ein gutes Stück über den Strand hinaus -
vielleicht fünfzehn Fuß über dem Boden. Wenn es ihm gelang, dorthin zu kommen, mochte er vielleicht belauschen können, was die
beiden unter der Folter verrieten. Der Novize wusste mit Sicherheit
nicht viel; der andere aber war ein Ritter und möglicherweise in die
Pläne La Valettes eingeweiht.
Als hätte es dieses Gedankens bedurft, erinnerte sich Andrej auch
wieder an dessen Namen - Chevalier Adrien de la Revier. Andrej
hatte ihn nie besonders gemocht - was allerdings auf den größten Teil
seiner Ordensbrüder zutraf. La Revier war ein Aufschneider und
Draufgänger, doch als rechte Hand Marschall Cociers war er unglückseligerweise bestens über die Verteidigungsanlagen und die
Stärke der Besatzung informiert.
Einer der Janitscharen beugte sich über den Novizen. Andrej konnte
nicht genau erkennen, was er tat, doch im nächsten Moment wehte
erneut ein qualvolles, gepresstes Stöhnen zu ihm herauf, das nur einen Atemzug später zu einem gellenden Schrei wurde. Der Blutgeruch wurde stärker.
Andrej ballte wütend die Hände zu Fäusten, erhob sich lautlos von
seinem Platz und schlich nach einem letzten sichernden Blick los. Er
musste nur wenige Schritte weit gehen, bis er eine Stelle fand, an der
er hinabklettern konnte. Zoll für Zoll hangelte er sich in die Tiefe,
hielt immer wieder an, um zu lauschen und mit klopfendem Herzen
nach unten zu sehen, und erreichte schließlich - nach einer Ewigkeit,
in der die Schreie des Jungen immer wieder zu ihm heraufschallten -
den Felsvorsprung. Lautlos wandte er sich um, streckte sich auf dem
rauen Fels aus und kroch bis zu seiner Kante vor.
Das schreckliche Bild unten am Strand hatte sich verändert, als er
sein Ziel erreichte und aus weniger als drei Manneslängen Höhe auf
das blutige Spektakel hinuntersah. Ein Teil der Janitscharen hatte
sich zurückgezogen, offensichtlich angewidert vom blutigen Geschäft der Folterknechte. Revier kniete noch immer im Sand und
hatte mittlerweile den Kopf gehoben, um trotzig in die Gesichter der
Janitscharen zu starren, während der Novize mit angezogenen Beinen
auf der Seite lag und leise wimmerte. Sein Gesicht und seine nackte
Brust waren blutüberströmt; in seine wimmernden Schmerzlaute
mischte sich immer wieder ein Schluchzen, das er nun nicht mehr
unterdrücken konnte. Andrejs rechte Hand glitt fast ohne sein Zutun
zum Gürtel und schloss sich um den Schwertgriff. Es kostete ihn
enorme Kraft, die Waffe nicht zu ziehen, um den Greueln ein Ende
zu machen.
»Chevalier, ich bitte Euch«, sagte einer der Männer unter ihm. Es
war ein junger Janitscharen-Offizier in prachtvollen seidenen Gewändern, mit einem gewaltigen Turban und einem gebogenen, juwelenbesetzten Dolch im Gürtel. Er sprach nahezu akzentfreies Französisch und seine Stimme klang durchaus so, als meine er das, was er
sagte, ernst. »Ihr habt Euren Mut zur Genüge bewiesen. Niemand
wird Euch einen Feigling nennen, wenn Ihr jetzt redet.«
Revier legte den Kopf mit einem Ruck noch weiter in den Nacken
und funkelte den Janitscharen-Offizier trotzig an. Er sagte nichts. Der
junge Türke hielt seinem Blick einen Moment lang mit undeutbarem
Gesichtsausdruck stand, dann seufzte er tief, straffte die Schultern
und gab dem Mann zu seiner Linken einen kaum merklichen Wink.
Der Janitschar, ein gedrungener, muskulöser Kerl mit einem brutalen
Gesicht, dem man ansah, dass er das, was er tat, im Gegensatz zu
seinem Offizier genoss, beugte sich herab, grub die Hand in das kurz
geschnittene Haar des Novizen und riss ihn mit einem derben Ruck
wieder auf die Knie empor. Der Junge keuchte vor Schmerz und
Angst.
»Chevalier, ich beschwöre Euch«, fuhr der Offizier fort. »Wenn Ihr
jetzt nicht redet, muss ich den nächsten Grad der Folter befehlen.« Er
sprach mit eindringlicher Stimme weiter. »Wir beide sind Krieger,
Chevalier. Bitte erspart mir, diesen Befehl geben zu müssen.«
Revier schwieg trotzig weiter und der Folterknecht griff unter seinen breiten Gürtel und zog eine gebogene Zange aus dem Sortiment
aufblitzender Marterwerkzeuge, das darin steckte. Mit einem brutalen Ruck drehte er den Novizen um, packte seine auf grausame Weise auf dem Rücken zusammengebundenen Hände und setzte die
Zange am rechten Daumen des Jungen an.
Andrejs Hand glitt abermals zum Gürtel, und diesmal zog er sie
nicht zurück, als er das kalte
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