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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schlimme Nachrichten, die Ihr bringt, Chevalier«, sagte
er. »Doch wir haben Euch nicht aus diesem Grund hier herunterführen lassen. Bitte verzeiht die ungewöhnlichen Umstände, doch was
wir Euch zu zeigen haben, ist nicht für jedermanns Augen bestimmt.« Er deutete auf die verschlossene Tür zur Pulverkammer und
ließ sich mit einem nicht ganz unterdrückten Ächzen in die Hocke
sinken, um seine Schuhe abzustreifen. Sowohl Romegas als auch La
Valette taten es ihm gleich, während Andrej mit einer mühelosen
Bewegung aus seinen Stiefeln schlüpfte, die ihm einen weiteren ärgerlichen Blick Romegas’ eintrug.
Erneut fragte er sich, was der Edelmann dort tat. La Valette und
Starkey respektierten seine Fähigkeiten und sein taktisches Geschick,
doch Andrej wusste, dass sie seinen Charakter nicht sonderlich
schätzten und ihn für gewöhnlich nicht ins Vertrauen zogen, wenn es
um ihre geheimsten Pläne ging. Außerdem war die Feindschaft zwischen Romegas und Andrej allgemein bekannt.
Auf einen Wink Sir Olivers hin schob Romegas den schweren Riegel zurück, der vor der Tür zur Pulverkammer lag, und öffnete sie.
Die Tür war nur etwas über fünf Fuß hoch, aber so schwer, dass
selbst Romegas seine ganze Kraft brauchte, um sie aufzuziehen. Wäre es nicht Romegas gewesen, hätte Andrej ihm zweifellos geholfen.
So sah er mit einem leisen Gefühl alberner Schadenfreude zu, wie
sich sein Widersacher mit der schweren Tür abmühte.
Die Kammer, die dahinter lag, war in vollkommene Dunkelheit getaucht. Andrej wusste, dass es in der Decke einige Lichtschächte gab,
die zumindest tagsüber für ein trübes Zwielicht sorgten, nach Sonnenuntergang jedoch wurde es stockdüster. Eine Lampe oder gar eine
Fackel dort mit hineinzunehmen, kam nicht in Frage. Nur ein kleiner
Bereich unmittelbar hinter der Tür wurde vom blassen Licht der
Lampe erhellt, das durch die Öffnung hereinfiel. In der Luft hing der
scharfe Geruch von Schießpulver, aber da war noch etwas anderes.
Andrej konnte den Geruch nicht sofort einordnen, aber er gab dem
unguten Gefühl, das ihn seit seiner Ankunft dort unten plagte, neue
Nahrung.
»Wir müssen Euch etwas zeigen, Chevalier«, sagte La Valette und
trat hinter Romegas und Starkey gebückt durch die niedrige Tür.
Andrej folgte seiner einladenden Geste und betrat als Letzter das
Pulvermagazin. Der Geruch nach Schwarzpulver und altem Holz
wurde stärker, und dann identifizierte er auch den anderen, bedrohlicheren Geruch. Es war etwas, das er in den letzten Stunden schon
viel zu oft gewittert hatte.
Zwei Schritte hinter der Tür, in dem Bereich, den das von draußen
hereinfallende Licht beleuchtete, stand ein niedriger Tisch, auf dem
ein in eine schmutzige Decke gehülltes Bündel von gut sechs Fuß
Länge lag. Romegas stolzierte mit übertrieben gestelzten Schritten
um den Tisch herum, streckte die Hand nach der Decke aus, ergriff
sie aber noch nicht, sondern sah Andrej aus Augen an, in denen ein
böser, nur mühsam zurückgehaltener Triumph leuchtete.
»Die Nachrichten, die Ihr bringt, Delãny«, begann er, »mögen beunruhigend und erschreckend sein. Und doch fürchte ich, dass wir
während Eurer Abwesenheit einen noch viel beunruhigenderen und
weitaus erschreckenderen Fund gemacht haben.« Er sah kurz zu
Starkey hin, als müsse er sich dessen Einverständnis holen, um weitersprechen zu können. »Ich bin zwei Stunden nach Mitternacht von
einem Erkundungsritt zurückgekehrt und sofort zu unserem Großmeister geeilt, wie er es mir befohlen hatte. Die Wachen vor seiner
Tür waren tot, hinterrücks erschlagen von einem Attentäter, und zwischen ihnen fand ich das da.« Er zog mit einem dramatischen Ruck
die Decke zurück.
Andrej konnte ein erschrockenes Keuchen nicht ganz unterdrücken.
Unter der Decke kam das erloschene Gesicht eines Toten zum Vorschein, womit er natürlich schon gerechnet hatte. Womit er nicht
gerechnet hatte, war, dass er ihn kannte. Es war der Junge, den Abu
Dun und er am Strand gefunden hatten.
»Ich sehe, dieser Tote ist Euch nicht unbekannt«, sagte Romegas,
dem Andrejs Reaktion ebenso wenig entgangen war, wie den beiden
anderen.
»Ich…« Andrej fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die
Lippen. Sein Mund war plötzlich so trocken, dass er kaum weitersprechen konnte. »Ich habe ihn schon einmal gesehen«, bestätigte er.
»Gestern Abend, am Strand.«
»War er da noch am Leben?«, erkundigte sich Romegas.
»Nein«, erwiderte Andrej. Er

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