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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Botschaft?«
Vielleicht hatte Romegas ja sogar Recht, dachte er düster. Obwohl
er es ungern zugab, musste er eingestehen, dass der Ritter vollkommen richtig gehandelt hatte, als er den Leichnam des toten Jungen in
aller Heimlichkeit fortgeschafft und vor den Blicken der anderen
verborgen hatte. Bisher war er ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass alles, was der Dämon tat, ihm galt, und dass dieser nur
gekommen war, um ihn zu finden und zu töten, aber vielleicht
stimmte das überhaupt nicht. Vielleicht lautete sein Auftrag, Furcht
in die Herzen der Verteidiger zu säen - und mit einem Anblick wie
diesem würde ihm das zweifellos gelingen.
»Ihr wisst mehr darüber, als Ihr zugebt«, behauptete Romegas. »Ihr
und Euer schwarzgesichtiger Freund. Wenn es nach mir ginge…«
»Ihr habt völlig Recht, Chevalier de Romegas«, unterbrach ihn La
Valette. Sein Blick tastete über das Gesicht des Jungen und ein nachdenklicher Ausdruck begann sich auf seinen Zügen auszubreiten.
Andrej suchte vergeblich nach einer Spur von Mitleid oder auch nur
Bedauern in seinen Augen. »Wenn es nach Euch ginge, dann lägen
Chevalier de Delãny und sein moslemischer Freund schon längst in
Ketten in unserem tiefsten Verlies. Gottlob geht es aber nicht nach
Euch.«
Romegas riss erstaunt die Augen auf. Es war nicht zu übersehen,
dass er mit einer anderen Antwort gerechnet hatte.
»Aber Ihr habt klug gehandelt, den Toten hier herunterzubringen«,
fuhr der Großmeister fort. »Niemand darf ihn sehen. Ihr werdet die
Männer, die Euch geholfen haben, auf einen Erkundungsritt ans andere Ende der Insel schicken. Sorgt dafür, dass sie nicht reden. Und
sorgt auch dafür, dass sie keinen Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung haben.« Sein Ton wurde noch nachdenklicher. »Es
scheint, als hätten wir einen Feind, mit dem wir bislang nicht gerechnet haben. Bisher dachte ich, es sei ein Assassine, ein gedungener
Mörder, den Suleiman geschickt hat, um dem Orden noch vor Ausbruch der Schlacht sein Haupt abzuschlagen, aber dieser Mann ist
mehr als ein bezahlter Meuchelmörder. Er ist ein Meister der Angst.«
Er riss seinen Blick vom Gesicht des Toten los und sah erst Andrej,
dann Romegas an. »Und dennoch hat er uns einen Dienst erwiesen,
ohne es zu wissen.«
»Wieso?«, fragte Romegas verdutzt.
»Wir haben nur einige Hundert Ritter und ausgebildete Soldaten
hier auf Malta, Chevalier«, antwortete La Valette, »doch wir haben
mehr als viertausend einfache Malteser bewaffnet: Fischer, Bauern
und Handwerker. Was glaubt Ihr, hätte sich ein Mann von schlichtem
Gemüt und einfachem Verstand beim Anblick dieses Toten gedacht?« Er schüttelte entschieden den Kopf, als Romegas antworten
wollte, und fuhr, nun zugleich an Starkey und Andrej gewandt, fort:
»Immerhin sind wir jetzt gewarnt. Wir müssen diesen Mann finden,
bevor er die einfachen Menschen in Panik versetzt. Wenn wir die
Unterstützung der Bevölkerung verlieren, sind wir besiegt. Wir müssen ihn finden oder dieser eine Mann könnte für uns gefährlicher
werden als die gesamte türkische Armee.«
»Verzeiht, Großmeister«, wandte Romegas ein und begann, vermutlich ohne es selbst zu merken, unbehaglich von einem Fuß auf
den anderen zu treten, »doch ich finde, dass Ihr die Gefahr überschätzt. Immerhin haben wir den Toten rechtzeitig gefunden. Wir
sind immer noch die Herren des Geschehens.«
»Wenn ich das recht sehe«, sagte Andrej kühl, »hat man Euch diese
Leiche vor die Füße gelegt, damit Ihr sie findet. Den nächsten Toten
könnte man auf dem Marktplatz auffinden oder mit dem Kopf nach
unten an die Tür der Kirche genagelt.«
Romegas wollte auffahren und auch La Valette warf ihm einen zornigen Blick zu, wenn auch vermutlich aus anderen Gründen, doch
Starkey sagte rasch: »Delãny hat völlig Recht. Es gilt auf jeden Fall,
eine Panik zu vermeiden. Wir werden diesen bedauernswerten Jungen in aller Stille und mit dem gebührenden Respekt beisetzen lassen. Verbrennt ihn und erzählt etwas von einem ansteckenden Fieber,
das wir auf diese Weise eindämmen.«
»Was für ein hervorragender Plan«, sagte Romegas höhnisch. »Warum erzählen wir nicht gleich, die Blattern seien ausgebrochen?«
»Verbreitet einfach, die Türken brächten sie mit«, antwortete Andrej gelassen, »das hält vielleicht etliche unserer tapferen Verbündeten
davon ab, in Scharen zu ihnen überzulaufen.«
Romegas’ Gesicht lief vor Wut puterrot an, doch bevor er etwas

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