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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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auf unseren eigenen Füßen stehen und es uns für immer abgewöhnen können, die Beute mit den Ausländern zu teilen. Ich wiederhole noch einmal, denn ein im Herzen verborgenes Wort kann keinen Prozeß gewinnen: es muß ein Ende damit haben, daß wir unsere Arbeiter und Bauern — eigentlich sollten wir sie Sklaven nennen — ausrauben und dann die Beute den Ausländern zum Verteilen überlassen; sie geben uns einen kleinen Anteil davon ab und exportieren den Rest in ihre eigenen Länder! Warum lassen sie es dann nicht zu, daß wir in ihrem Amerika, in ihrem Europa und in ihrem Japan auf Raubzug gehen? Damit wir die Beute in unser Land importieren können? Warum lassen sie es nicht zu, daß wir unsere Nester und Vorratshäuser in ihren Ländern bauen und damit zur entscheidenden Stimme bei der Verteilung der Produkte des Schweißes ihrer Leute werden?
    Bestehlen wir uns gegenseitig, damit der Reichtum des Landes im Lande bleibt und damit wir die Wurzeln von zehn einheimischen Millionären in das Fleisch von zehn Millionen Armen graben können. Dann wird es uns gelingen, die Massen mit folgenden Worten zu blenden: Wananchi , Landsleute, beschwert euch nicht — habt ihr denn gestöhnt, als die Ausländer alles aufgefressen haben? Habt ihr euch am Kopf gekratzt und Fragen gestellt? Die Leute hier im Lande sind uns näher als die in Europa. Könnt ihr euch nicht darüber freuen, daß euer Schweiß und Blut zehn einheimische Millionäre hervorgebracht hat?
    Ich bin kein Mann vieler Worte. Man merkt beim ersten Biß, ob das Fleisch zart ist. Ich werde mich kurz fassen. Mein Bericht bezieht sich auf meine Auseinandersetzungen mit den Firmen im Besitz ausländischer Diebe und Räuber.
    Nach Beendigung meiner Ausbildung begann ich in den Firmender Imperialisten zu arbeiten. Es gibt sehr wenige ausländische Firmen, in die ich nicht als Angestellter meinen Fuß gesetzt hätte. Ölgesellschaften, pharmazeutische Konzerne, Kaffee und Tee verarbeitende Gesellschaften, Finanzinstitutionen, Touristenhotels, Autofirmen und viele landwirtschaftliche Unternehmen. In einigen Firmen war ich für den Verkauf verantwortlich (Sales Manager) oder für die Einstellung neuer Arbeitskräfte (Personnel Manager) , aber bei den meisten Firmen wurde ich angestellt, um mich um das öffentliche Image der Gesellschaft zu kümmern (Public Relations Manager).
    In all diesen Firmen jedoch gewährte man mir nie Zugang zu den Geheimnissen des innersten Kreises, verstehen Sie, da, wo die wesentlichen Entscheidungen gefällt werden, wo zum Beispiel über Geld und Gewinnverteilung entschieden wird. Die Zugehörigkeit zum innersten Kreis war Europäern vorbehalten.
    Aber jedesmal, wenn eine Krise im Land herrschte — manchmal werden ja die Arbeiter störrisch und unmöglich, oder es kommt vor, daß im Parlament über die Einkommensteuer beraten wird, so daß Maßnahmen zu befürchten sind, welche den kontinuierlichen Anstieg der Profitrate bremsen könnten, oder das Kabinett faßt Beschlüsse bezüglich der Ausländer hier im Lande — dann war ich stets derjenige, der dorthin geschickt wurde, um Auge und Mund der Ausländer zu sein. Um das gefährliche Feuer zu löschen, appellierte ich hier an den nationalen Chauvinismus, dort goß ich zeitgemäßes Öl auf die Hautrisse; andernorts stillte ich die Herzen der Machthabenden mit scharfem Schnaps. Und so weiter. Aber bei vielen Anlässen kaufte ich den Ausländern durch Haraambe-Spenden ein gutes Image.
    Eines Tages jedoch fragte ich mich: Bin ich als Mensch bei diesen Ausländern angestellt oder hat nur meine Hautfarbe eine Anstellung gefunden? Kaufen sie mein Können oder mein Schwarzsein? Und mit einem Mal wurde mir klar, daß man mich als Schaufensterdekoration benutzte. Wenn unsere Leute nach den Ausländern Ausschau hielten, dann sahen sie mich im Fenster stehen und dachten, sie sähen einen Teil ihrer selbst in mir widergespiegelt, und nahmen deshalb an, sie wären an dem Unternehmen beteiligt; im Glauben daran, daß sich ihr Wohlstand nach und nach mehren würde, ließen sie sich weiterhin bestehlen und ausrauben.
    Ich ging mit mir zu Rate. Der Reichtum einer Nation wird vonden Arbeitern des betreffenden Landes geschaffen. Ist es nicht wahr, daß es ohne Hand, Kopf und Herz der Arbeiter keinen Reichtum gäbe? Was bringen die Ausländer schon ins Land? Ein paar Maschinen und ein bißchen Geld, um das erste Monatsgehalt bezahlen zu können. So etwas wirft man einem Affen, der sein Junges festhält,

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