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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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Altersgruppen, der Großfamilien, der Sippen und Clans. Man könnte auch sagen, daß in jenen Tagen das Volk auf vielfache Weise organisiert war. Sagen wir einmal, es gab bei uns ›Ujamaa wa Mwafrika‹ oder wie es in Englisch heißt African Socialism. Von woher waren dann die Menschenfresser und Menschentöter gekommen? Ich bekam Herzklopfen. Geister, böse oder gute, gibt es nicht … Wesen aus anderen Welten gibt es nicht … In unserem Land, Kenia, gibt es keine Menschentöter und Menschenfresser, Menschen, die das Blut anderer trinken und ihren Schatten fressen. Heutzutage trinkt man kein Menschenblut und frißt man kein Menschenfleisch … Geister und Unholde und Wesen aus anderen Welten — das alles gibt es schon lange, lange nicht mehr … Du, der du Musik zum Lobpreis deines Landes komponieren willst, gehe den wahren Geschichten nach und suche dort deine Themen!
    Und seither haben mich tausend und mehr Fragen in meinem Herzen nicht zur Ruhe kommen lassen …
    Leute! Ihr könnt euch deshalb nicht vorstellen, wie bestürzt ich war, als ich gestern zu meinem Postfach im Universitätsgebäude ging, wo meine Post aufbewahrt wird, und dort … Oh, wie soll ich's bloß sagen? … Gezittert habe ich, wie ein Schilfrohr im Wind! … Selbst jetzt, wo ich hier in diesem Matatu sitze, kann ich noch immer nicht glauben, was meine Augen gesehen haben …«
    Brennend vor Neugierde unterbrach ihn Wangari: »Was für unerwartete Dinge hast du gesehen, daß du nun keine Worte findest und lange Pausen machst wie das Chamäleon, das Gott einmal mit einer Botschaft zu den Menschen sandte, das jedoch die Botschaft nie ausrichtete, weil seine Rede ebenso stockte wie deine?«
    »Dort in meinem Postfach«, fuhr Gatuiria schnell fort, »dort fand ich eine Einladungskarte zu einem Fest des Teufels, das morgen in Ilmorog stattfinden soll. Hört, was auf der Karte steht!«
    Gatuiria nahm eine Karte aus seiner Jackentasche und las vor:

    DAS FEST DES TEUFELS!
    Kommen Sie und bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil —
    Unter der Schirmherrschaft des Teufels
    wird ein Wettbewerb stattfinden
    zur Ermittlung von sieben Experten
    für Raub und Diebstahl!
    Jede Menge Preise!
    VERSUCHEN SIE IHR GLÜCK
    BEIM WETTBEWERB
    »WER SIND DIE SIEBEN GERISSENSTEN DIEBE?«
    PREISE IN HÜLLE UND FÜLLE!
    ES SPIELT DIE HELL'S ANGELS BAND
    Es lädt ein: SATAN
    HERRSCHER DER HÖLLE
    p. Adr.: RÄUBERHÖHLE
    GOLDEN HEIGTHS
    ILMOROG
    Wariinga schrie auf und fiel zur Seite, wo Muturi saß. Mwaura warf einen schnellen Blick nach hinten. Der Wagen begann zu schlingern. »Halt an. Wer hat Licht?« sagte Muturi.
    »Was ist los, was ist denn los?« fragte Wangari, aber niemand antwortete ihr.
    »Ich habe keine Taschenlampe«, sagte Mwaura und fuhr den Wagen an den Rand der Trans-Afrika-Straße. Er hielt.
    »Ich habe einige Streichhölzer«, sagte Gatuiria.
    »So zünd ein Streichholz an!« hieß Muturi ihn, und dann verstummten sie alle, als stünden sie an einem offenen Grab.
7
    Autos, die von Ilmorog kamen oder dorthin unterwegs waren, fuhren aneinander vorbei und erhellten für Augenblicke die Ebenen des Rift Valley. Aber die Dunkelheit, die dem Licht folgte, schien noch undurchdringlicher zu sein. Der Mann mit der Sonnenbrille saß bewegungslos in seiner Ecke. Mwaura war noch immer am Steuer. Die drei anderen beugten sich über Wariinga. Die Streichholzflammen beleuchteten kurz Wariingas Gesicht,ehe sie flackerten und dann erloschen. Gatuiria zündete eins ums andere an. Aber als sie sahen, wie Wariinga schließlich die Augen öffnete, als sie merkten, daß sie atmete und ihr Herz schlug, begannen sie über den Vorfall zu reden.
    »Ich glaube, die Frau ist krank«, sagte Muturi. »Malaria oder Lungenentzündung.«
    »Ihr Herz schlägt sehr schnell«, bemerkte dagegen Gatuiria.
    »Es könnte die Krankheit der Frauen sein«, meinte Mwaura. »Ob ihr es glaubt oder nicht, aber erst neulich hat eine Frau in diesem meinem Matatu ein Kind bekommen!«
    »Warum tragt ihr sie nicht hinaus, damit sie ein bißchen frische Luft schöpfen kann?« sagte Wangari schnell, als wolle sie einen Schlußpunkt unter Mwauras Geschichte setzen.
    Dann begann Wariinga mit leiser Stimme zu reden, als sei ihre Zunge eben von einer langen Reise zurückgekehrt …
    »Sorry , aber mir wurde plötzlich schwindlig«, sagte sie. »Können wir weiterfahren … please , können wir bitte von hier weg!«
    Sie nahmen ihre Plätze wieder ein. Mwaura versuchte den Wagen zu starten. Aber er sprang nicht an.

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