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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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Muturi, Wangari, Gatuiria und der Mann mit der Sonnenbrille stiegen aus und schoben. Der Motor sprang an. Sie stiegen ein und fuhren eine Weile schweigend.
    Wangari brachte das Gespräch wieder auf Wariingas Schwindelanfall:
    »Oder war unsere Unterhaltung daran schuld, daß dir schlecht wurde?«
    »Es hatte etwas damit zu tun … Ja, es war das, wovon wir redeten …«, erwiderte Wariinga.
    »Hat dir das Gespräch Angst gemacht?« fragte Muturi.
    »Ja … und … nein!« sagte Wariinga unschlüssig.
    »Keine Sorge«, meinte Wangari. »Derlei Dinge gibt es nicht mehr. Unholde, Menschentöter, Menschenfresser, böse oder gute Geister, oder gar den Teufel mit sieben Hörnern, das gibt es nicht. Es sind alles nur Geschichten, die ungehorsame Kinder erschrecken sollen, damit sie sich anders verhalten, und um die Gehorsamen zu ermutigen, auf dem rechten Weg weiterzugehen.«
    Mwaura pfiff eine Melodie vor sich hin, wie jemand, der eigentlich anderer Meinung ist, oder wie einer, der ein bißchen mehr über die besprochene Angelegenheit weiß, aber seine Gedanken nicht unbedingt preisgeben will. Dann begann er zu singen:

    Schönes Mädchen, gewähre mir meine Wünsche
    Wenn ich dich darum bitte,
    Und sei nicht hartherzig zu mir —
    Sonst könnte es leicht geschehen,
    Daß ich von allem nichts weiß
    Wenn du mir dann sagst, du seist guter Hoffnung!
    Er hatte gehofft, daß seine Fahrgäste lachen und sich anderen Themen zuwenden würden, daß sie das Gerede von Mördern, Menschenfressern, Geistern und Teufeln, von Festen mit Wettbewerben im Rauben und Stehlen lassen würden. Aber Wariinga überraschte sie alle, als sie noch einmal auf dasselbe Thema zurückkam:
    »Aber was ist, wenn es diese Dinge doch gibt? Wenn es nicht nur Geschichten sind, die man Kindern vor dem Zubettgehen erzählt? Was würdet ihr dann tun? Sagt doch, was würdet ihr tun, wenn es Böse und Gute Geister wirklich gäbe, wenn es den Teufel gäbe und er Kenia besuchte, wenn er hier auf dieser Erde Feste veranstalten und Wettbewerbe für seine Jünger ausschreiben würde?«
    »Ich?« fuhr Mwaura dazwischen, als sei die Frage an ihn alleine gerichtet worden. »Ich?« fragte er noch einmal, als wolle er sich vergewissern, daß die Frage an ihn gerichtet war. Und ohne überhaupt eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Ich habe seltsame Dinge erlebt, das will ich euch sagen. Einmal haben mich ein paar Halunken in diesem, meinem eigenen Fahrzeug gefangengenommen. Aber waren es wirklich Halunken oder drei junge Männer in wunderlichen Anzügen? Sie standen an der Farmers Corner in Limuru. Es war am Abend, kurz bevor die Dunkelheit hereinbrach. Sie sagten, sie wollten nach Kikuyu Town fahren. Einen Blick nur hatte ich, Mwaura, auf sie geworfen und mir eingebildet, mit diesen Fahrgästen sei mir Fortuna selbst über den Weg gelaufen. Ich verlangte einen hohen Fahrpreis. Aber ich sage euch, schon als wir Mutarakwa erreichten, war mir Hören und Sehen vergangen. Sie hielten mir eine Pistole von hinten an den Kopf und sagten: ›Wenn du nicht willst, daß dir Metallsplitter den Kopf zerfetzen, dann fahre so schnell du kannst zum Wald von Kineenii, und keinen Blick weder nach hinten noch zur Seite!‹ All mein Geld wurde mir genommen und all meine Kleider. Nackt, wie ich geboren wurde, ließen sie mich liegen.
    Aber zum Glück hatten sie mir meine Wagenschlüssel gelassen …
    Neulich mietete ein amerikanischer Tourist diesen Wagen. Der Mann war wahrhaftig sehr alt. Tiefe Täler durchfurchten sein Gesicht, und überall an seinem Körper lagerten sich die Hautfalten dicht übereinander. Aber er hatte ein afrikanisches Mädchen bei sich, die so klein und jung wie ein Schulmädchen war. Sie saßen hinten. Eine Stunde lang fuhr ich sie durch ganz Nairobi. Sie redeten nicht viel und taten auch nichts weiter. Er beschäftigte sich fast ausschließlich mit den Schenkeln des kleinen Mädchens; er drückte und kniff sie unaufhörlich, während das Mädchen sein Gesicht streichelte, wobei ihre Finger manchmal völlig in den Hautfalten verschwanden. Wann immer das Mädchen aufschrie, weil es ihr angeblich wehtat, leuchteten die Augen des Amerikaners, Schaum trat ihm aus dem Mund, und er stöhnte, als habe er sie unter sich. Als ich die beiden später am New Stanley Hotel absetzte, nahm der Amerikaner eine Hundert Shilling Note heraus und gab sie dem Mädchen, die damit wegging. Der Mann blieb bei mir stehen und zählte mir alle Vorzüge Kenias auf, als sei ich der Besitzer des

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