Der gekreuzigte Teufel
schönster Ordnung! Seht doch, mein Furz stinkt nie! Und warum wohl nicht? Warum? Das will ich euch sagen! Weil Reichtum einerseits die große Schöpferkraft und andererseits der große Richter ist. Reichtum verwandelt Ungehorsam in Gehorsam, Böses in Gutes, Häßlichkeit in Schönheit, Haß in Liebe, Feigheit in Tapferkeit und Laster in Tugend. Reichtum macht aus O-Beinen Beine, um die sich die Schönen des Landes reißen. Reichtum läßt Gestank verwehen und Fäulnis vergehen. Die Wunde des reichen Mannes eitert nie. Der Furz des reichen Mannes stinkt nie. Geht dahin zurück, wo ihr hergekommen seid. Kehrt zu euren schäbigen Hütten zurück, die ihr euch erkühnt, Häuser zu nennen; kehrt zu den Streifen Lands zurück, die ihr euch erkühnt, euer Anwesen zu nennen. Wenn ihr auch dazu nicht fähig seid, dann kommt wieder her und werdet Tagelöhner auf meinen vielen Feldern. Mir, Nding'uri, dem Sohn Kahamanis, könnt ihr nichts anhaben, denn ich besitze keine Seele!‹
Als sie diese Worte vernahmen, waren die Dorfältesten aufs tiefste bestürzt und aus ihren Blicken sprach Mißtrauen. ›Also haben wir einen Zauberer in unserem Dorf beherbergt und einer Laus Unterschlupf auf unserem Kopf gewährt? Er wird allen Menschen das Blut aussaugen, bis das ganze Land blutleer geworden ist!‹ Und sie ergriffen ihn auf der Stelle, umwickelten ihn mit trockenen Bananenblättern und verbrannten ihn und sein Haus. Von jenem Tag an war das Dorf vom Bösen befreit, und die Schatten der Menschen begannen wieder zu wachsen und zu gesunden. Viele Hände heben auch die schwerste Last!«
Gatuiria schwieg.
Das Matatu Matata Matamu zockelte die Straße entlang. Es hatte jetzt die Landstraße nach Nakuru verlassen und war auf die Trans-Afrika-Straße eingebogen, die durch Ruuwa-ini und Ilmorog führte. In dem Wagen herrschte völliges Schweigen — jeder hing seinen eigenen Gedanken über die Geschichte nach undwartete darauf zu erfahren, welches wohl Gatuirias Schwierigkeiten wären.
Gatuiria nahm seine Erzählung wieder auf.
»Nachdem der alte Mann mir diese Geschichte erzählt hatte, erkannte ich einen neuen Gedanken und ein neues Thema, um die ich nun den Stoff eines neuen Liedes weben konnte. Aber war dies wirklich etwas Neues, oder war es das, wonach ich schon immer gesucht hatte? Ich wollte jetzt genau diese Geschichte mit Musik erzählen, denn was könnte die Erzählung eines alten Mannes aus Bahati übertreffen! Welche Erzählung enthielte ein größeres Thema und eine größere Lehre als diese? Die Geschichte eines Mannes, der um irdischer Reichtümer willen seine Seele verkauft? Ich wollte Nding'uri wa Kahamani mit Judas vergleichen, der den Frieden seiner Seele für dreißig Silberstücke verkaufte.
Als Hintergrund für die Musik stellte ich mir ein Dorf in der Zeit vor der britischen Herrschaft in Kenia vor. Zuerst würde ich die Entstehungsgeschichte des Dorfes erzählen. Dafür hatte ich mir eine Gruppe von Stimmen und Instrumenten ausgedacht, welche die Wanderungen der Hirtenvölker, die der Ära der Feudalherrschaft vorangegangen waren, darstellen würde. Eine andere Gruppe könnte aufzeigen, wie das Dorf seine Güter und Waren herstellte und verteilte. Dabei wollte ich eine Stimmengruppe für die Hirten, eine für die Bauern, eine für jene, die Metall bearbeiteten, und so weiter. Dann hatte ich vor, in ein anderes Thema mit anderen Instrumenten überzuleiten, ein Thema, das Hungersnot, Krankheit, Armut und den Beginn der Feudalherrschaft beschreiben würde. Anschließend sollte dann die Geschichte von Nding'uri, dem Sohn Kahamanis, folgen. Ich begann, die Musik zu komponieren — ein helles Feuer loderte in meinem Herzen. Aber nach einigen wenigen Zeilen fühlte ich das Feuer erlöschen, übrig blieb tote Asche, in der auch nicht der kleinste Funke mehr glomm.
Warum, warum? schrie ich, ohne zu wissen, wem mein Rufen galt.
Ich glaubte nicht ganz an die Existenz von Unholden und Geistern, oder von irgendwelchen Kreaturen aus einer anderen Welt. Dann, in einer Nacht, hörte ich eine leise Stimme, die mir den wirklichen Grund für das Erlöschen des Feuers zuflüsterte: ›Wie willst du eine Musik komponieren, ohne an die Existenz des Gegenstandes deiner Komposition zu glauben?‹
Glauben … glauben … Wo soll ich den Glauben hernehmen? Auf dem Markt kann ich keinen Glauben kaufen! In meinem Herzen argumentierte ich folgendermaßen: In der Vergangenheit, vor der Kolonialzeit, gab es bei uns das System der
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