Der gekreuzigte Teufel
Beanstandungen und Forderungen berücksichtigen würde, daß wir unsere Arbeit wieder aufnehmen sollten und daß er uns binnen einer Woche einen Bericht vorlegen würde. An dem Tag, an dem wir den Bescheid erhalten sollten, kam er zurück, und zwar in Begleitung von mit Gewehren, Schlagstöcken und Schilden bewaffneten Polizisten.
Der Unternehmer sprach in barschem Ton, wie ein Mann, der sich am Abend zuvor mit seiner Frau gestritten hat. Er sagte, durch einen Erlaß des Präsidenten seien alle Streiks verboten. Dann sagte er, daß jeder, der nicht mehr arbeiten wolle, nach Hause gehen könne, denn es gäbe genug arbeitslose Männer auf der Suche nach Arbeit. Die Streikführer wurden entlassen. ›Ihr glaubt wohl, daß wir hier in Kenia das Geld auf der Straße finden? Was dich betrifft, Muturi, so bilde dir nicht ein, gar so klug zu sein. Die Akte, die beim Geheimdienst über dich geführt wird, ist so dick. Und wir wissen, daß du nicht der einzige bist.‹ Wir gingen wieder auseinander. Einem Gewehr kann man nur mit einem Gewehr entgegentreten und nicht mit leeren Händen. Deshalb bin ich heute hier und suche da und dort nach Arbeit.
Und das nur, weil ich mich geweigert habe, für einen Sklavenlohn zu arbeiten. Stellt euch doch ein Leben in Nairobi vor mit einem Monatslohn von 300 Shilling!«
»Für welche Gesellschaft hast du gearbeitet?« fragte Wariinga.
»Für die Champion Construction Company.«
»Die Champion Construction Company?« wiederholte Wariinga, »in der Boss Kihara der Chef ist?«
»Ja, warum fragst du, warum überrascht dich das so?« fragte Muturi.
»Weil ich für dieselbe Gesellschaft gearbeitet habe.«
»In den Verwaltungsbüros in der Stadt?«
»Ja, Kihara war mein Chef. Aber was für ein Chef! Auch ich bin heute unterwegs, um mir neue Arbeit zu suchen.«
»Hast du auch gestreikt?« fragte Gatuiria.
»Nein. Ich habe mich geweigert, sein Sugar girl zu sein«, sagte Wariinga.
»Streik kann man das schon nennen — sie hat gegen die Tyrannei des Chefschlafzimmers gestreikt«, antwortete Wangari, als sei die Frage an sie gerichtet gewesen.
»Siehst du es jetzt? Siehst du nun die Zusammenhänge?« fragte Muturi. »Kannst du jetzt verstehen, daß ich unsere Welt nicht einfach dem Teufel überlassen will, damit er mit ihr umspringen kann, wie es ihm paßt? Ein Fest des Teufels? Ich würde hingehen, um dem Teufel die Stirn zu bieten!«
Nun wandte sich Wariinga an Gatuiria: »Wie denkst du darüber? Glaubst du wirklich, daß es ein solches Fest gibt?«
»Aber ich bin doch auf dem Weg dorthin«, erwiderte Gatuiria langsam. »Morgen findet das Fest des Teufels statt.«
»Morgen, am morgigen Tag?« fragte Wangari.
»Ja, morgen früh um zehn Uhr beginnt es!«
»Und du hast keine Angst?« fragte Wariinga.
»Angst wovor?«
»Vor dem Teufel! Heißt es nicht, daß er sieben Hörner habe?«
»Das ist genau der springende Punkt — gibt es den Teufel in Wirklichkeit oder nicht? Ich möchte hingehen, um all meinen Zweifeln ein Ende zu setzen, damit ich wieder zu komponieren beginnen kann. Ich kann nicht komponieren, wenn endlose Zweifel meinen Geist quälen. Frieden! Ein Komponist braucht Frieden im Herzen!«
»Oh ja«, stimmte Wangari ihm zu, »Frieden in unser aller Herz!«
»Und du«, wandte sich Wariinga an Wangari, »was würdest du tun?«
»Du bist also noch immer hinter derselben Frage her?« wollte Wangari wissen und fuhr fort: »Ob ich nun eingeladen bin oder nicht — ich würde diesem berüchtigten Teufel, wenn er mir über den Weg liefe, beibringen, daß er nie und nimmer jene unterdrücken darf, welche mit ihrer schöpferischen Kraft diese Welt gestaltet haben. Aber sag mir — warum stellst du alle diese Fragen? Welche Last trägst du in deinem Herzen?«
Auch alle anderen hatten dieselbe Frage im Sinn: Wer ist diese Frau? Die ganze Zeit seit Nairobi hatte sie geschwiegen. Dann hatte sie plötzlich geschrien! Dann war sie in Ohnmacht gefallen. Und nun, seit sie wieder erwacht war, stellte sie endlose Fragen!
»Ja, in der Tat, warum stellst du uns allen dieselbe Frage?« warf Gatuiria ein.
»Weil …« sagte Wariinga, »weil auch ich Schwierigkeiten habe, die mir das Herz schwer machen!«
»Schwierigkeiten …?« fragten Wangari und Gatuiria gleichzeitig.
»Ich habe auch eine Einladung erhalten, dieselbe wie du, und mir scheint, ich weiß nicht einmal, wie sie in meine Hand gelangt ist.«
»Sag das nocheinmal — was erzählst du da?«
»Auch ich besitze eine Einladung
Weitere Kostenlose Bücher