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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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hatte, all die Schlupfwinkel der Diebe und Räuber aufzuspüren, so daß auch ich das Meine im Dienst der Gemeinschaft tue … Als hätte ich etwas von diesem Fest geahnt … Welches Glück ich doch gehabt habe … Nicht einmal ein einziger Tag ist vergangen, und schon habe ich ihren Schlupfwinkel entdeckt … hier sind sie doch, alle sind sie hier in der Höhle versammelt mit ihren Freunden aus Übersee! … Wären Raub und Diebstahl in Ilmorog nicht ein Ende gesetzt, wäre nicht das ganze Land von Menschenfressern befreit, wenn die Polizei all diese Leute festnehmen und ins Gefängnis werfen würde? … Ich will abwarten und mir alles anhören, was sie zu sagen haben, ich will erst alle ihre Pläne erfahren, damit ich Inspektor Gakono und seinen Männern, wenn ich sie dann hole, genug Beweise liefern kann … Ich sehe, daß auch Muturi alles beobachtet und sich alles anhört, damit ihm ja nichts entgeht … Könnte er vielleicht bei der Aussage helfen?
    Sie dachte daran, ihn um Hilfe zu bitten, aber dann überlegte sie es sich anders. Ihr Herz begann im Rhythmus des Liedes zu schlagen, das sie am Abend zuvor in Mwauras Matatu gesungen hatte:

    Kommt alle, kommt!
    Seht, welch großartiger Anblick —
    Wir verjagen den Teufel
    Und all seine Jünger —
    Kommt alle, kommt!
    Die Hell's Angels Band spielte ein kongolesisches Lied:

    Babanda nanga bakimi na mobali
    Mobali oyo boto ya matema
    Nakei koluka mobali nangae …
    Einem plötzlichen Einfall folgend, wandte sich Muturi an Mwaura und fragte ihn flüsternd: »Mwaura, was hast du mit den Killern zu tun, die sich Devil's Angels nennen?«
    Mwaura fuhr erschrocken herum, als habe ihn jemand mit einer glühend heißen Nadel gestochen.
    »Woher weißt du das? Woher weißt du das?« wollte er mit angsterfülltem Blick wissen.
    Aber genau in diesem Augenblick hörte die Band unvermittelt auf zu spielen. Der Lärm verebbte und in der Höhle herrschte völlige Stille. Alle Blicke waren auf das Podium gerichtet. Der Wettbewerb sollte beginnen.
4
    Der erste Teilnehmer schritt nach vorn und sprang auf das Podium. Alle anwesenden Diebe warfen einander bestürzte Blicke zu, die ihre Verachtung für den Mann nicht verbargen. Dieser Teilnehmer trug nämlich einen Anzug, der anscheinend niemals gebügelt worden war — es war einer jener Anzüge, die zerknittert und schlotternd an ihrem Träger hängen und wie Zittergras im Winde zittern. Er selbst war lang und dünn, seine Augen dagegen groß und rund. Sie glichen zwei Glühbirnen in einem hohen, dünnen Eukalyptusbaum. Seine langen Arme schlenkerte er mal hierhin, mal dahin, als wüßte er nicht, wohin damit — sollte er die Hände in die Taschen stecken, sollte er geradestehen, Arme stramm an der Seite, wie ein Soldat in Hab-Acht-Stellung, oder sollte er vielleicht die Arme herausfordernd in die Seiten stemmen? Er probierte diese Stellungen der Reihenach aus, er kratzte sich am Kopf, knackte mit den Fingern, aber schließlich entschied er sich dafür, die Arme über der Brust zu kreuzen; alsdann gab er einen kleinen Lacher von sich, um seines Lampenfiebers Herr zu werden und begann seinen Bericht:
    »Ich heiße Ndaaya wa Kahuria. Wie Sie sehen, weiß ich nicht, wohin mit meinen Händen, aber das ist nur so, weil es für mich ungewohnt ist, vor einem so erlesenen und zahlreichen Publikum wie Ihnen zu stehen. Aber diese meine Hände …« mit diesen Worten streckte er seine geöffneten Hände den Zuschauern hin, »diese Hände, die Sie hier sehen, fühlen sich eigentlich wohler, wenn sie in die Taschen anderer Leute greifen. Wenn diese langen Finger hier durch Ihre Taschen glitten, so würden Sie nichts davon bemerken, das versichere ich Ihnen. In der ganzen Gegend hier gibt es wohl weit und breit keinen einzigen Dieb, der es mit mir aufnehmen, der mir noch neue Tricks beibringen könnte, wie man den Frauen auf den Marktplätzen oder in den Bussen die Geldbeutel klaut oder wie man in den Dörfern den Hühnern anderer Leute Fallen stellt.
    Aber ich schwöre bei Gott im Himmel, ja, die Wahrheit Gottes sei mein Zeuge, ich schwöre, daß ich nur aus purem Hunger stehle, weil ich nichts anzuziehen und keine Arbeit habe; weil ich nichts habe, wo ich diesen, meinen geringen Kopf für die Nacht zur Ruhe legen kann.
    Wie dem auch sei — damit Sie sich nun von meinem ausgesprochenen Talent zum Stehlen ein Bild machen können, möchte ich Ihnen kurz demonstrieren, wie ich in den Dörfern Hühner stehle …« Allem Anschein nach hatte ihn

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