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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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Arbeiter und Bauern fürchten müssen. Aber wie der Zeremonienmeister ganz richtig sagte, sollte man zuerst versuchen, sie mit Worten und süßen Reden zu täuschen. Welches Bild benutzte er doch eben — oh ja, er sagte, ›Gift in zuckrige Blätter verpacken‹. Aber wenn sie natürlich verstockt und eigensinnig sind, wie der untreue Knecht in dem Gleichnis, der sich klüger dünkte als sein Herr, dann müßt Ihr sie mit genagelten Stiefeln zu Boden treten.
    Schließlich müssen Sie danach trachten, im Rauben und Stehlen den wahren Geist von Uhuru zu verwirklichen; unsererseits werden wir Ihnen helfen, dieses Vorhaben mit allen uns zur Verfügung stehenden Waffen zu verteidigen. Dies ist meine Botschaft an Sie. Viel Glück für Ihr weiteres Vorgehen.«
    Als sich der Sprecher der ausländischen Delegation setzte, verwandelte sich die ganze Höhle in ein völliges Durcheinander von schreienden und einem Donnergetöse gleich in die Hände klatschenden Menschen. »Dieser Schuh braucht keinen Socken, er sitzt, er paßt wie angegossen, er ist für diesen Fuß gemacht. Dieser Ausländer versteht es wirklich, Schuhe passend anzumessen!«
    Die Hell's Angels Band begann zu spielen, während die ganzeVersammlung noch durcheinander redete und viel getrunken wurde; manche klopften sich gegenseitig hocherfreut auf die Schultern, und andere küßten ihren Schätzchen Lippen, Nase und Augen. Die Band hatte keine Melodie zum Tanzen angestimmt, was sie spielte, klang mehr wie ein Kirchenlied. Nach einigen Minuten wandten sich alle in die Richtung, aus der die Musik kam, und begannen gemeinsam zu singen, als wären sie in der Kirche:

    Frohe Botschaft
    ist in unser Land gekommen —
    Frohe Botschaft
    von unserem Erlöser.
3
    Fragend wandte sich Wariinga an Gatuiria: »Ist es denn überhaupt möglich, daß Leute, die so teure Kleidung tragen, echte Diebe und Räuber sind?«
    »Ich verstehe nicht, was hier wirklich vor sich geht«, antwortete Gatuiria.
    »Diebe sind es, es sind Diebe!« sagte Wangari. »Moderne Diebe«, fügte Muturi hinzu.
    »Diese Ausländer haben eine sehr rote Haut«, sagte Wariinga und schaute dorthin, wo die sieben ausländischen Diebe saßen.
    »Hast du nicht gehört, was ihr Anführer sagte«, flüsterte Wangari, »es kommt daher, daß sie vom Blut ihrer und unserer Kinder trinken!«
    »Und sich darin baden«, sagte Muturi. Wariinga, Gatuiria, Muturi, Wangari und Mwaura saßen am letzten Tisch ganz hinten in der Höhle. Wollte sich Wariinga die Ausländer genauer anschauen, so renkte sie sich fast den Hals aus. Der Tisch der Ausländer stand ganz vorne, seitlich neben dem Podium. Am vorderen Rand des Podiums stand in der Mitte ein kleiner Tisch mit hohen Beinen. Jeder Redner stellte sich dahinter. In der rechten hinteren Ecke des Podiums hatte die Hell's Angels Band ihren Platz.
    Der Stuhl, auf dem der Sprecher der ausländischen Delegation saß, war etwas größer und höher als die Stühle der anderen. Zuseiner Rechten saßen drei der Ausländer, die drei anderen zu seiner Linken. Nachdem Wariinga sie noch einige Male genau gemustert hatte, konnte sie erkennen, daß ihre Haut tatsächlich so rot war wie die Haut von Schweinen oder wie die Haut eines schwarzen Menschen, der sich mit kochendem Wasser verbrüht oder mit Säure verbrannt hat. Selbst die Haarbüschel auf ihren Armen und am Hals standen borstig ab wie die Borsten eines alternden Schweines. Ihr Haar war von bräunlicher Farbe wie das Fell eines Maulwurfs. Es war lang und fiel ihnen auf die Schultern, als sei es seit ihrer Geburt niemals rasiert oder geschnitten worden. Sie trugen Hüte, die wie Königskronen geformt waren. Jede Krone zierten sieben Zacken aus Metall, die Hörnern glichen und so hell glänzten, daß man davon geblendet wurde. Alle Kronen waren gleich, nur die des Delegationsleiters war etwas größer. Das spitze Ende eines jeden Horns bildete den Anfangsbuchstaben des jeweiligen Landes.
    Die Kleidung, oder vielmehr die Anzüge, die sie trugen, waren verschieden. Der Anzug des Delegationsleiters war aus Dollarscheinen ($) gemacht, der des Engländers aus Pfundnoten (£), der des Deutschen aus DM-Scheinen (DM), der des Franzosen aus Franc-Scheinen (F), der des Italieners aus Lira-Noten (Lr), der des Skandinaviers war aus Kronen-Scheinen (Kr) und der des Japaners aus Yen-Scheinen (Y). An jedem Anzug steckten viele Abzeichen, wie sie auch von Pfadfindern getragen werden. Jedes Abzeichen war aus einem besonderen Metall, das in

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