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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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allgemeinen Zustimmung. Ich wiederhole: Wir wünschen hier nur Diebe und Räuber zu sehen und zu hören, die zumindest einmal ihre Millionen gezählt und eingesteckt haben.
    Zweite Regel: Wir sollten eine Bestimmung verabschieden, wonach keiner, der nicht einen ansehnlichen Bauch und fette Hamsterbacken vorzeigen kann, sich hierher bemühen sollte, da er nur unsere Zeit vergeudet. Wer ist so ungebildet und weiß nicht, daß der Umfang von Bauch und Backen der wahre Maßstab des Reichtums ist?«
    Alle Diebe, die dicke Bäuche vor sich hertrugen, spendeten ihm heftigen Beifall. Jene, die keine Bäuche hatten, schrien ihn nieder. Die Versammlung in der Höhle brach auseinander; es bildeten sich zwei Parteien; es gab Streit und hitzige Auseinandersetzungen zwischen dem Clan der Dicken und dem Clan der Mageren.
    Einer, der ganz besonders mager war, sprang auf und lehnte für seine Person diese Regel mit Nachdruck ab. Er war dermaßen verärgert, daß sich sein Adamsapfel beim Sprechen mit beachtlicher Geschwindigkeit auf und ab bewegte. Obwohl es wahr sei,daß die wohlige Wärme des Reichtums vielen Dieben und Räubern hervorstehende Bäuche und fette Backen hätte angedeihen lassen, so argumentierte er, gäbe es andere, mit hohlem Bauch und eingesunkenen Wangen, weil diese sich ständig mit den Problemen ihrer beträchtlichen Besitztümer befassen müßten. »Ja, die Größe und Bedeutung ihres Besitzes sind der Grund dafür«, sagte der Mann und fügte hinzu: »Aber das bedeutet keineswegs, daß diese Leute nicht hervorragende Experten im Rauben und Stehlen wären. Ein Mann darf niemals diskriminiert werden, nur weil er schlank ist. Er kann sich auch keinen Bauch annähen oder den dicken Bauch seiner schwangeren Frau ausleihen, nur damit man ihn zum Wettbewerb zuläßt. Schlank sein und vom Unglück dünn und ausgehöhlt sein, ist keineswegs dasselbe … einen Helden erkennt man nicht an der Dicke seiner Waden!« Damit setzte er sich. Die Mageren spendeten ihm heftigen Beifall, die Dicken schrien ihn nieder.
    Als einer der Dicken laut bemerkte, der Mann, der da eben gesprochen habe, sei genau so schlaksig wie Ndaaya wa Kahuria, wäre es fast zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen. Der beleidigte Magere stand auf und fragte voller Bitterkeit:
    »Wer hat mich Ndaaya wa Kahuria genannt? Wer hat mich einen erbärmlichen Gauner genannt? Wer hat mich so beleidigend mit einem Dieb verglichen, der nur ein paar Hunderter und Tausender stiehlt? Er soll sich zeigen … Er soll nach vorne kommen, und ich werde ihm mit meinen Fäusten beweisen, daß ich in einer Größenordnung von MILLIONEN stehle!«
    In diesem Augenblick stand ein Mann auf, der weder zu dick noch zu dünn war. Er war es, der den Streit durch seine Worte beilegte: »Wir wollen nicht ständig danach Ausschau halten, ob einer schlank oder dick ist, dünn oder fett, weiß oder schwarz, groß oder klein. Auch der kleinste Raubvogel holt sich seine Beute. Jeder, der davon überzeugt ist, das Zeug dazu zu besitzen, sollte die Möglichkeit haben, nach vorne zu kommen, um sich mit anderen Beutegierigen zu messen. Zwei Beutegierige müssen auf dem Schlachtfeld aufeinandertreffen, um alle Zweifel darüber zu beseitigen, wer beim Beutefraß, der aus anderer Leute Eigentum besteht, den Ton angibt. Schauen Sie doch unsere ausländischen Gäste an. Einige von ihnen sind dick, andere sind schlank. Einige haben sehr rotes Haar, andere haben Haare, die nicht ganz so rot sind. Einige kommen aus Japan, und andere kommen ausItalien, und ihr Anführer kommt aus Amerika, aus den USA. Was sie zu einer Altersgruppe, einer Familie, einer Sippe macht, zu ein und derselben Art, die von derselben Nabelschnur abstammt, ist weder auf ihre Schlankheit noch auf ihre Fettleibigkeit, noch auf ihre Sprache zurückzuführen … nein … was sie alle aneinander bindet, was aus ihnen Angehörige einer Sippe macht, ist die Tatsache, daß sie alle sich dem Raub und dem Diebstahl verschrieben haben. Aus diesem Grunde haben sie nun ihre Fühler in alle Winkel der Erde ausgestreckt, wie eine Schlingpflanze, die sich auf dem ganzen Feld ausbreitet und bis in die äußersten Ecken vordringt. Deshalb stammen auch wir, ihre einheimischen Aufpasser, von einer einzigen Nabelschnur ab, wir gehören zu einer Altersgruppe, einer Familie, einer Sippe, wir sind von derselben Art. Wir, die wir heute hier versammelt sind — ob ich nun ein Luo bin, oder ein Kalenjin, oder ein Mkamba, oder ein Mswahili,

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