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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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von dem ich sehr viele und weitaus süßere und reifere Früchte gepflückt habe als von allen anderen Uhuru-Bäumen ist — aber halt, ich will die Geschichte von jenem besonderen Baum von Anfang an erzählen, damit Sie alle sehen können, daß ich keineswegs zu den Anfängern in der Kunst des Raubens und Stehlens zähle.
    Nachdem ich eine ganze Menge Früchte von den beiden Bäumen gepflückt hatte, die mit dem Durst der Menschen nach Schulbildung und mit ihrem Hunger nach Land gewässert worden waren, begann ich mich umzuschauen, um in Erfahrung zu bringen, von welchen anderen Bäumen meine Zeitgenossen ihre Früchte pflückten. Mir fiel auf, daß die Leute, sobald sie etwas Reichtum angesammelt hatten, alle ins Parlament einziehen wollten. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie ein Mann seine Farm verkaufte und seine wunderschöne Frau versteigerte, nur um seine Wahlkampfausgaben zu bestreiten. Das machte mich nachdenklich — was hat es mit dieser Sache auf sich, die zum Gegenstand heftigster Nahkämpfe geworden ist, ja, die Menschen gehen sogar so weit, daß sie Millionen von Banknoten hinauswerfen und ihre Frauen, Töchter und Farmen verkaufen. Könnte das nicht ein Baum sein, der noch mehr Früchte trägt als all die anderen?
    Ich beschloß, in die Politik einzusteigen und mir selbst ein Bild zu machen. Schließlich kann nur der, welcher unter dem Baum sitzt, wissen, was die schwarze Baumameise frißt. Aber da ich auch das Sprichwort kenne: zu viel Eile bricht die Yamswurzel, wollte ich mich nicht nach einem Sitz im Parlament drängen — an einem solchen Sitz verbrennt man sich leicht, und wegen ihm wurde auch schon Blut vergossen —, nein, ich würde mich zuerst um einen Sitz im Rat des Iciciri-Distrikts für den Wahlbezirk Ruuwa-ini bemühen.
    Gesagt, getan — Gemüse muß man früh verkaufen, ehe es welk wird. Ich warf buchstäblich mit Geld um mich. Habe ich mich einmal zu etwas entschlossen, dann tue ich es in großem Stil und halte mit nichts zurück. Ich suchte mir einen Chor von Nyakinyua-Frauen zusammen, die Loblieder über mich singen und Geschichten erfinden sollten; sie sollten erzählen, wie ich damals für die Freiheit gekämpft und mich dafür eingesetzt hätte, den Leuten Land und Schulen zu beschaffen, und weitere Lügen dieser Art. Ich kaufte den Frauen Kleider in leuchtenden Farben — die Kleider waren alle vom selben Schnitt und hatten mein Bild aufgedruckt.
    Dann engagierte ich eine Gruppe von Jugendlichen, deren Aufgabe es war, Haus- und Grundbesitz meiner Gegner zu demolieren und jene zusammmenzuschlagen, die Beschwerden gegen mich vorbrachten. Ich hatte fünf Gegner. Die ersten beiden nahm ich beiseite, und mit fünfzigtausend Shilling für jeden veranlaßte ich sie, aus dem Rennen auszusteigen. Die beiden gaben öffentlich bekannt, daß sie zugunsten von Gatheeca, dem Helden, zurücktreten würden. Der dritte Gegner wollte sich nicht bestechen lassen. Eines Nachts wurde er von zwei Jugendlichen geschnappt, sie brachten ihn in den Wald von Ruuwa-ini und zeigten ihm eine Gewehrmündung. Man stellte ihn vor die Wahl zwischen leben und gewählt werden. Klugerweise entschied er sich fürs Leben. Der Vierte verweigerte nicht nur eine Bestechung, sondern leistete weiter Widerstand, selbst nachdem man ihn vor eine Gewehrmündung gestellt hatte. Ich schickte einige Jugendliche in sein Haus. Sie brachen ihm die Beine.
    Der Fünfte war ziemlich clever. Er hetzte seine Schlägertypen auf mich, die die Straße mit ihrem Wagen blockierten; sie zeigten mit der Gewehrmündung auf mich und warnten mich, sollte ich jemals versuchen, mit ihrem Chef herumzuspielen, dann gäbe eseine Auseinandersetzung Auge um Auge, Zahn um Zahn, Bein um Bein, Blut um Blut. Ich verstand. Mein Gegner machte keine Witze. Ich gab nach. Ich sagte ihnen, sie sollten ihrem Chef ausrichten, daß jene, die den Reichtum anderer verschlingen, sich üblicherweise auf offenem Feld träfen um festzustellen, wer im Fressen überlegen sei. Deshalb solle auch er zu einem Treffen im Wahlkampf bereit sein, um ein für alle Male jeden Zweifel darüber auszuräumen, wer wer sei, und daß in der Zwischenzeit keiner das Leben des anderen bedrohen solle. Geld sei Macht, und deshalb sollten sein Geld und mein Geld den Kampf offen austragen. Schließlich kam es zu einem gegenseitigen Übereinkommen: Eisen soll auf Eisen treffen, dann wird sich zeigen, welches das andere durchbohren kann.
    Das Feld blieb nun noch zweien überlassen. Soll das

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