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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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Kindern in der Grundschule von Ruuwa-ini das ABC bei. Waren das schreckliche Zeiten! Meine Suppe bestand aus Ugali mit Salz, und gelegentlich, wenn mir das Glück hold gewesen war, hatte ich für zehn Cent Gemüse dazu. Ich hustete den ganzen Tag, weil der Kreidestaub in meiner Kehle festsaß und ich mir kein Fett leisten konnte, um den brennenden Schmerz in meiner Brust zu kühlen.
    Auch heute weiß ich noch immer nicht, was mich eines Tages veranlaßte, das Fenster des Klassenzimmers zu öffnen; ich warf einen Blick hinaus und sah viele Leute meiner Generation, die dabei waren, sich die Früchte vom Uhuru-Baum zu pflücken. Ich hörte eine Stimme, die mir zuflüsterte: ›Kihaahu, Sohn des Gatheeca, du bist ein Narr, daß du noch immer deine Nase in den Kreidestaub steckst, während sich deine Zeitgenossen an den Früchten der Freiheit gütlich tun! Worauf wartest du noch? Was wird für dich übrig sein, nachdem sich jeder sein Teil genommen hat? Vergiß nicht, auf dem Weg, den die Meister der Eßkunst gehen, bleiben keine Reste liegen!‹
    Und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen, ich erkannte jetzt alles ganz deutlich. Ich, Sohn des Gatheeca, warf die Kreide zum Fenster hinaus, zog meinen langen Mantel an, machte die größte Kehrtwendung in meinem Leben und sagte dem Lehrerberuf bye-bye. Auch ich wollte eine Frucht pflücken, um zu erfahren, wie die Früchte von Uhuru wa Mwafrika 9 schmeckten.
    Zu viel Eile bricht die Yamswurzel. Hören Sie, wie es mir erging. Ich Narr stürzte mich auf die allererste Frucht, die ich an meinem Wege fand — wie das Mädchen, von dem man erzählt, daß es sich von anderen dazu verleiten ließ, mit geschlossenen Augen Früchte zu pflücken, und schließlich alle unreifen erwischte. Die Frucht schmeckte bitter auf der Zunge. Hatte ich Kei-Äpfel gepflückt, in der Meinung, es seien richtige Äpfel?
    Ich will Ihnen sagen, was ich damals falsch gemacht habe, denn wir sind nicht nur hierhergekommen, um unsere Fähigkeiten herauszustellen, sondern auch um unsere Erfahrungen auszutauschen. Schon während ich Kinder unterrichtete, war mir klar geworden, daß die Menschen im ganzen Land nach Schulbildung am meisten dürsteten. Dieser Durst bedrückte die Massen, aber er war die Grundlage für den Reichtum von ein paar wenigen Auserwählten. Selbst Leute, die kaum lesen oder A und B schreiben konnten, eröffneten private Höhere Schulen, und nicht selten brachte ihnen das Unternehmen einen oder zwei Mercedes-Benz ein. Die Schulgebäude waren oft aus Lehm, die Lehrer hatte man auf dem Schrottplatz gefunden, die Pulte waren aus Holzabfällen, das Papier hatte man auf der Straße aufgelesen, und trotzdem brachten die Schulen ihren Besitzern Gewinn. Ich dachte mir, daß auch ich, der Sohn des Gatheeca, versuchen sollte, den wirklichen Wert einer in jener Ecke aufgelesenen Münze in Erfahrung zu bringen.
    Ich wollte einen Kindergarten eröffnen, denn ein Kindergarten erforderte keine größeren Investitionen. Ich ging zu einer Bank und bekam ein Darlehen auf meine kleine Farm. Dann schaute ich mich nach einem Gebäude in Nairobi um. Als nächstes suchte ich und fand auch ein afrikanisches Mädchen, die bei ihrer Schulabschlußprüfung durchgefallen war. Ich stellte sie ein; sie sollte sich um die Kinder kümmern, mit ihnen spielen, ihnen um zehn Uhr etwas Milch geben und ihnen einige Lieder beibringen. Dann setzte ich eine große Anzeige mit dem folgenden Wortlaut in die Zeitung:

    BLACK BEAUTY - neuer Kindergarten
    für Kinder aus besten kenianischen VIP-Familien.
    In kenianischem Besitz; Leitung
    und Unterrichtspersonal ausschließlich
    Kenianer.
    Swahili als Unterrichtssprache.
    Kenianische Musik, kenianische
    Wiegenlieder usw.
    Niedrige Gebühren bei höchster Qualität.
    Bringen Sie eines — bringen Sie alle!
    SISI KWA SISI, TUJENGE KENYA TAIFA LETU. 10
    Aber siehe da! Kein einziges Kind kam, nicht einmal ein behindertes.
    Ich vergoß bittere Tränen, wenn ich an das Geld dachte, das ich ausgegeben hatte. Dabei wußte ich genau, daß die Bank jederzeit mein Stück Land, das ich, dumm wie ich war, als Sicherheit gegeben hatte, unter den Hammer bringen konnte. Ich dachte nach, ich zermarterte mir das Gehirn. Hatte ich den Baum mit den Uhuru-Früchten nicht sorgfältig genug unter die Lupe genommen? Hatte ich anstatt einer süßen, eine bittere Beere gepflückt? Aber dann sagte ich mir, schon mancher mußte auf der Suche nach Reichtum zweimal nachdenken.
    Also stellte ich noch

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