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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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bemerken, daß sie auf einmal überhaupt keine Zuschauer mehr hatten. Sie schossen noch ein paarmal beleidigt in die Luft, dann tauchte das ganze Rudel und schwamm unter dem Schiff hindurch auf der Backbordseite weiter ins Meer hinaus.

Der Museumsdirektor tappt in die Falle

    Der ganze Speisesaal war heute so aufgeregt wie ein Bienenkorb, wenn die Königin ihre Koffer packt.
    Nach den Paprikaschnitzeln und bevor der Wiener Apfelstrudel serviert wurde, klopfte Mrs. Fuller endlich mit ihrem Kaffeelöffel an eine Weinkaraffe.
    „Es ist soweit“, sagte Frau Finkbeiner erfreut.
    Die Tischstewards blieben stehen, wo sie gerade waren, und die Passagiere machten lange Hälse, damit sie den Kapitänstisch sehen konnten.
    Dort war inzwischen der Junge mit dem Bürstenhaarschnitt aufgestanden und rollte jetzt seine Tante mehr in die Mitte des Saales. Danach setzte er sich wieder auf seinen Platz.
    „Herr Kapitän, meine Damen und Herren, ich will hier keine Thronrede halten, wenn das im ersten Augenblick vielleicht auch so aussieht, weil ich in meinem Rollstuhl sitzen muß“, sagte Mrs. Fuller, und ihre Stimme war bis in die letzte Ecke zu verstehen. „Ich will mich kurz fassen und den Wiener Apfelstrudel nicht zu lange aufhalten, denn er schmeckt bestimmt so gut wie alles hier an Bord.“
    Die Passagiere lächelten und setzten sich jetzt tiefer in ihre Sessel. Wie im Theater, wenn der Vorhang aufgeht.
    „Wir sind heute an Trinidad vorbeigedampft und haben es nicht einmal durchs Fernglas sehen können“, fuhr Mrs. Fuller fort. „Ich kenne die Insel und ich muß Ihnen leider sagen, daß Sie etwas sehr Schönes versäumt haben.“
    „Auch ich bedaure das“, bemerkte Kapitän Stahlhut dazwischen. „Aber es war leider nicht zu ändern.“
    „Vielleicht doch“, erwiderte die Frau im Rollstuhl.
    „Wir könnten zumindest versuchen, uns zu entschädigen.“
    Da die meisten Passagiere an den Tischen ja wußten, was jetzt kommen würde, schmunzelten sie wie Leute, die einen Witz hören und dabei schon ahnen, wie er ausgeht.
    „Ich bin gespannt“, sagte Kapitän Stahlhut.
    „Wir haben den Blick auf eine wunderschöne Insel eingebüßt“, fuhr jetzt Mrs. Fuller fort. „Lassen Sie uns diesen Verlust eintauschen gegen den Blick auf ein wunderschönes Bild, von dem wir inzwischen alle wissen, daß es sich hier an Bord befindet.“
    Wie Mrs. Fuller aufrecht in ihrem Rollstuhl saß, erinnerte sie tatsächlich wieder einmal an die Königinmutter von England.
    „Sehr geehrter Monsieur Prunelle“, sie wandte sich jetzt direkt an den Kapitänstisch, „Weihnachten ist ausgebrochen, bald läuten überall die Glocken, es riecht nach Lebkuchen, alle Welt macht sich Geschenke. Und das gibt uns den Mut, auch Sie um ein Geschenk zu bitten.“ Sie sprach plötzlich ganz leise und beugte sich vor dabei. „Lieber Monsieur Prunelle, machen Sie es möglich, daß wir alle heute abend bei der Weihnachtsfeier in der Europa-Halle die Mona Lisa sehen dürfen.“
    Im ganzen Speisesaal brodelte es jetzt wie in einem Kochtopf, und die Passagiere riefen durcheinander: „Jawohl, möglich machen!“ oder „Wir bitten um unser Weihnachtsgeschenk!“ Schließlich einigten sie sich auf den gemeinsamen Chor „Pru—nelle! Pru-nelle!“ und klatschten dazu im Takt die Hände. Das machte ihnen einen Heidenspaß und sie wollten deshalb gar nicht wieder aufhören.
    „Ist ja wie auf einem Fußballplatz“, bemerkte der Apotheker Finkbeiner. Dabei klatschte auch er weiter in die Hände und rief jetzt mit den anderen wieder: „Pru—nelle! Pru—nelle!“
    Der Museumsdirektor aus Paris hatte aus einer Mischung von Verlegenheit und Geschmeicheltsein einen knallroten Kopf. Er wischte sich mit einem blütenweißen Taschentuch über seine Glatze und tuschelte mit dem Schiffskapitän. Gleichzeitig kam der Erste Offizier angeflitzt.
    Mister Palmer saß wie versteinert und hatte ein Gesicht so blaß wie der gekochte Fisch, den man als Vorspeise serviert hatte. Er schrieb schnell auf ein Stück Papier: „Unbedingt ablehnen!“ und schob es so vorsichtig, als handle es sich um eine Handgranate, neben den Teller des Museumsdirektors aus Paris. Aber die Warnung kam bereits zu spät.
    „Seien Sie doch kein Frosch“, knurrte Monsieur Prunelle ärgerlich und schob den Zettel zu Mister Palmer zurück. „Wer klaut schon ausgerechnet an Weihnachten.“
    „Haben Sie eine Ahnung“, erwiderte Mister Palmer. „Ich könnte Ihnen Dinge erzählen, daß Ihnen die Ohren

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