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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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breitbeinig und mit ausgestreckten Armen in seinem Kahn stand, ein Motorrad in Empfang, das der Chinese Chang Lie gemeinsam mit seinem jungen Bruder Huang Ku an zwei Tauen über Bord ließ.
    Die Barkasse wollte gerade ablegen, als im letzten Moment noch ein Junge mit einer knallroten Cordhose und in einem Hemd mit lauter Kokosnüssen, Bananen und Palmenblättern drauf angelaufen kam. „Hallo“, er lachte und kletterte ins Boot, „ich dachte schon, ihr seid über alle Berge.“
    „So sehen also Pagen aus dem Speisesaal aus“, grinste Ulli Wagner, „wenn sie Landurlaub haben.“
    „Ein bißchen wie ein Buntspecht“, meinte Frau Finkbeiner freundlich.
    „Buntspechte sollen reizende Tiere sein“, stellte Axel Kannengießer fest. „Übrigens ist dicke Luft an Bord.“
    „Inwiefern?“ fragte Peter und schlug dabei die Beine übereinander.
    „Die ganze Besatzung muß vorerst an Bord bleiben und mit ihren Arbeitsklamotten auf dem Mannschaftsdeck antreten. Die Urlauber wollten schon an Land und sind im letzten Augenblick zurückgepfiffen worden.“
    „Aha“, murmelte Herr Finkbeiner leise vor sich hin. „Der gelbe Handschuh…“
    „Wie bitte?“ fragte Axel Kannengießer.
    „Ich habe nur laut gedacht“, sagte der Apotheker. Am Kai ging es zu wie auf einem Jahrmarkt. Ein Dutzend junger Neger machte mit Trommeln und Benzinfässern Calypsomusik. Sie rollten dabei die Schultern, stampften mit ihren nackten Füßen und zeigten ihre weißen Zähne. Frauen und Männer in allen Hautfarben wollten Stoffpuppen verkaufen, Korallenketten, Kokosnüsse oder bunte Hemden. Kleine Negerjungen sprangen wie Frösche in das schmutzige Hafenwasser, wenn die Passagiere ein Geldstück hineinwarfen. Sie tauchten bis auf den Grund und kamen dann wieder ausgepumpt, aber strahlend an die Oberfläche zurück. Und weil sie in ihren schmalen Badehosen keine Taschen hatten, steckten sie sich das gefundene Geld einfach in den Mund.
    „Die haben aber alle geschwollene Backen“, bemerkte Frau Finkbeiner besorgt.
    „Ja, das viele Tauchen geht vermutlich über die Weisheitszähne“, erwiderte ihr Mann.
    „Du willst mich bloß wieder einmal auf den Arm nehmen“, sagte Frau Finkbeiner. „Das ist kein feiner Zug von dir.“ Sie richtete sich auf und blickte sich um. „So, und jetzt will ich wissen, wo wir eigentlich sind.“
    „Eine berechtigte Frage“, gab der Apotheker zu. „Also, wie wir alle wissen, heißt die ganze Insel Barbados...“
    „Du wirst es nicht für möglich halten“, unterbrach ihn seine Frau. „Aber das wissen wir tatsächlich schon.“
    „Und was da jetzt vor unserer Nase liegt“, fuhr Apotheker Finkbeiner fort, ohne sich stören zu lassen, „das ist die Hauptstadt Bridgetown, die noch bis 1966 englisch war.“
    „Das hätte ich nun wieder nicht gewußt“, gab Frau Finkbeiner zu.
    In diesem Augenblick brauste der Boß der Maxe auf seinem Motorrad an den beiden Berliner Familien vorbei. Er hatte seinen Fotoapparat vor der Brust baumeln, und sein Bruder Huang Ku saß hinter ihm. Beide winkten und lächelten zu den Jungen herüber.

Ein Neger verliert sein Gesicht

    „Bitte recht freundlich“, sagte Tischsteward Rehbein.
    Die beiden Berliner Familien standen zusammen mit Ronny Fuller und Axel Kannengießer auf dem Trafalgar Square nebeneinander wie eine Fußballmannschaft und lächelten um die Wette.
    „Besten Dank“, sagte Ulli, als das Marzipangesicht geknipst hatte. Er ließ sich die Kamera zurückgeben und transportierte den Film weiter.
    „Es freut mich, daß ich Ihnen behilflich sein konnte“, meinte Herr Rehbein. Dabei zog er seinen weißen Strohhut und trollte sich. „Bis heute abend, Herr Rehbein“, rief der Page aus dem Speisesaal hinter ihm her.
    „Komisch“, sagte Frau Finkbeiner. „Privat sieht ein Page oder ein Steward wie verkleidet aus. Dabei müßte es doch umgekehrt sein.“ Und dann meinte sie noch: „Es stimmt. Hier erinnert tatsächlich jede Ecke an England.“
    Das Nelson-Denkmal auf dem Trafalgar Square war sogar älter als das in London, die Straßen hatten englische Namen, die Autos fuhren links, das Rathaus sah aus wie ein altes englisches Schloß, in dem nachts die Türen knarren, und die kaffeebraunen Polizisten steckten in denselben Uniformen wie die Bobbies auf dem Piccadilly Circus.
    „In einer Stunde wieder am Denkmal von Herrn Nelson“, schlug Apotheker Finkbeiner vor.
    Die Erwachsenen wollten nämlich zur Broad Street. Dort sollte es Geschäfte geben, in denen

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