Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
dreimal so hohes Einkommen wie ich. Ich muss mich mit diesen verdammten Ostgebieten voll wilder, nur halb unterworfener Stämme herumschlagen, die mir von Anfang an mehr Scherereien und Kämpfe eingetragen haben, als sie wert sind. Wie du siehst, kann man eine schlichte Wahrheit leicht verdrehen. Und wovon sprach er sonst noch?“
Schwang da Eifersucht mit? „O“, entgegnete sie langsam und lächelte schüchtern, „er hat mir erzählt, wie liebevoll ihr als Kinder miteinander umgegangen seid. Nur echte Zwillinge hätten mehr aneinander hängen können. Ich glaube, er bewundert dich sehr, schon seit damals.“
Sigibert zog eine Grimasse, als hätte er plötzlich Zahnschmerzen, deshalb ritt sie nicht länger auf dem Thema herum. Stattdessen lenkte sie das Gespräch auf die Zeremonie zu ihrem Glaubenswechsel zurück, und unterstützte den Plan, die Feier mit allem erdenklichen Pomp zu begehen.
Chilperich und sein Gefolge wollten an dem Fest nicht teilnehmen, sondern vorher abreisen. Das sagte er ihr selbst, als es ihr gelang, ihn noch am gleichen Tag allein zu sprechen. Auf die Nachricht von ihrem bevorstehenden Übertritt zum römischen Glauben reagierte er bemerkenswert kühl.
„Willst du das wirklich?“, fragte er nur. Sie hatte ihn gebeten, sie in einen der kleinen Höfe zu begleiten, in die von oben das Sonnenlicht herein fiel. Eine junge Magd folgte ihnen in gehörigem Abstand, sodass eine vertrauliche Unterredung möglich war. Eigentlich wollte sie nur prüfen, wem sie glauben sollte. Chilperich war nicht nur eleganter gekleidet als Sigibert, sondern er trug seine Gewänder mit selbstsicherer Lässigkeit. Und da war immer noch die fatale Anziehungskraft spürbar, die sie schon im allerersten Augenblick für ihn eingenommen hatte.
„Bleibt mir etwas anderes übrig?“, fragte sie leichthin und fuhr dann fort: „Sigibert freut sich sehr über meinen Entschluss. Er ist geradezu hingerissen.“
Die kleine Magd war im Eingang stehen geblieben und spielte mit ihrer Kunkel, die sie gekonnt herumwirbeln ließ. Aus einem Wust von Wolle, die sie in einem umgehängten Beutel mit sich führte, entstand ein dünner blassbrauner Faden.
„Kann ich mir denken“, sagte Chilperich und schaute zu der Magd hinüber, „er hält große Stücke auf die Kirche, vor allem auf die Bischöfe.“
„Du nicht?“
„Nur solange sie nicht allzu raffgierig sind. Das wirst du noch merken. Wenn du nicht aufpasst, luchsen sie dir alles ab, was du hast.“
„Du machst Scherze.“ Brunichild lachte verwirrt.
„Über die Kirche macht man keine Scherze. – He, du!“, rief er zu der Magd hinüber. „Hol einen Umhang für die Königin. Es ist hier draußen zu kalt für sie. Und beeil dich, hörst du?“, fügte er barsch hinzu.
Das Mädchen stob davon. Kaum war sie verschwunden, zog Chilperich Brunichild an sich. Wer hatte ihm das wundervolle Salböl besorgt, dessen Duft sie schwindeln machte? Vielleicht war es auch nur die unverhoffte Nähe. Sie fühlte sich in einen verführerischen Strudel hineingerissen und lehnte sich an ihn.
„Nein, nein“, er schob sie von sich. „Das dürfen wir nicht, nicht um deinetwillen.“ Er zog ein zusammengerolltes Blatt aus seiner Tunika. „Hier, das ist für dich. Lies es, wenn ich weg bin, und denk an mich. Aber lass es niemanden sehen“, beschwor er sie mit einem Schimmer von Verlangen in den Augen.
„Was ist es?“, flüsterte sie und schwankte so heftig, dass er sie festhalten musste.
„Ein Gedicht. Ich habe es für dich verfasst. Du sollst wissen, was ich für dich empfinde und was ich dir nicht zu sagen wage, wenn du vor mir stehst.“
Ein Gedicht von seiner Hand! Das wundervollste Geschenk, das sie sich vorstellen konnte, ein intimes, leidenschaftliches Bekenntnis zu ihr. Wie kühn! Wie ungewöhnlich. Sigibert hatte ihr als Dank für den Übertritt zu seinem Glauben neue Juwelen versprochen, aber was war das gegen ein so persönliches Geschenk!
„Wann hast du es geschrieben? Bitte, sag es mir! Wann?“
Chilperich zögerte.
„Bitte, ich muss es wissen!“, setzte sie flehend nach.
„Gestern früh.“
„Und was hast du zum Schreiben genommen? Einen Gänsekiel oder eine Rohrfeder? Wo stand das Schreibpult? Am Fenster?“
Unbehaglich rollte Chilperich die Schultern vor und zurück. „Warum willst du das alles wissen?“
Voller Leidenschaft drückte Brunichild die Rolle an sich und merkte, wie ihr glühende Hitze ins Gesicht stieg. „Wenn ich es lese, will ich
Weitere Kostenlose Bücher