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Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)

Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Maaser
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dich vor mir sehen, wie du das Gedicht schreibst. Wie hast du es verfasst? Hast du die Worte auf ihren Klang geprüft? Hast du nach Worten gesucht? Welches Versmaß hast du gewählt? An welchem Dichter hast du dich orientiert? Ovid? Und ...“ Ihr fielen tausend Fragen ein, aber dann merkte sie, dass ihre Fragerei Chilperich überforderte.
    „Ist das nicht völlig gleichgültig?“, ächzte er.
    „Überhaupt nicht“, ereiferte sie sich. „Dein Gedicht ist so kostbar. Aber wie soll ich es in seinem tiefsten Wert beurteilen, wenn ich nichts weiß? Hat ... hat Audovera noch geschlafen, als du es geschrieben hast?“ Mit großen Augen sah sie ihn an.
    Chilperich fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. Er litt förmlich, aber darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. „Bitte, ich will auch das wissen. Ich muss ein klares Bild von dir haben, wie du schreibst und an mich denkst.“
    „Ich verbringe die Nächte schon lange nicht mehr mit Audovera“, erklärte er mit angestrengter Leichtigkeit. „Ich dachte, das hätte sich herumgesprochen.“
    Brunichild seufzte auf und presste die Rolle wieder ans Herz. „Dann warst du also allein. Das ist gut. Welche Tinte hast du genommen?“
    Chilperich zuckte, als er hätte sie ihn gekniffen. „Welche Tinte?“, echote er verstört.
    „Galltinte? Ich muss wissen, ob der Text haltbar ist oder ich ihn besser gleich kopiere. Ich sterbe, wenn ich dein Gedicht verliere.“
    Am liebsten hätte sie das Pergament sofort auseinandergerollt, aber das verbot er ihr. Er kam ihr auch nicht mehr nahe, sondern bat sie, als wäre sie eine Kranke, sich auf eine Bank zu setzen, während er in achtbarer Entfernung stehen blieb. Sobald die Magd auftauchte, verabschiedete er sich mit höflichen Worten, in denen bereits die Distanz durchklang, die bis zur Abreise am nächsten Tag herrschen würde.
    Aber das machte ihr weniger aus, als sie noch eine Stunde zuvor gedacht hätte. Denn nun besaß sie ein Gedicht, das die Wahrheit über ihn und sie enthielt. Etwas Unumstößliches. Sie würde es bei ihren liebsten Schätzen aufbewahren. Äußerst kostbare Dinge, verschlossen in einer kleinen Rosenholztruhe.
    Erst in der Zeit, die ihr noch blieb, bevor die Kammerfrauen kamen, um sie für das Abendmahl umzukleiden, konnte sie das Gedicht überfliegen. Es war zweifellos ein Liebesgedicht, aber trotz aller Anbetung und Würdigung ihrer Schönheit, ihrer Klugheit und ihrer überragenden Bildung in kunstvollen Hexametern fehlte etwas. Es hatte weder eine ordentliche Anrede noch eine Unterschrift. Genau genommen fehlte das Wichtigste: ihr Name – und seiner.
    „Du bist hinausgegangen!“, sagte Brunichild am nächsten Morgen vorwurfsvoll, aber mit unterdrückter Heiterkeit. „Du bist einfach hinausgegangen!“
    Fredegund prustete. „Nein, gerannt! Das ist der Vorteil, wenn man nicht bei den Vornehmen und Großen sitzt. Auf eine wie mich achtet kaum jemand. Ich konnte nicht mehr an mich halten. Wäre ich einen Augenblick länger geblieben, wäre ich vor unterdrücktem Lachen geplatzt, so wahr mir Gott helfe. Und Gogos Gesicht werde ich nie vergessen.“
    „Ich auch nicht“, pflichtete Brunichild bei und lachte laut heraus. Es waren die letzten Stunden, die sie zusammen verbrachten. Gegen Mittag wollte Chilperich mit seinem Gefolge aufbrechen.
    Venantius hatte beim Abendmahl, als alle längst satt und nicht wenige bereits betrunken waren, ein Gedicht auf Gogo vorgetragen. Gogo hatte sich verwundert aufrechter hingesetzt. Und dann war er vor Verlegenheit rot angelaufen, während Venantius seine Ansehnlichkeit, Leutseligkeit und Beredsamkeit rühmte und gar nicht mehr aufhörte, Vorzüge zu preisen, die vermutlich noch nie jemand an Gogo bemerkt hatte. Der bärbeißige Herzog hatte sich höchst ungeschickt in dem seltsam unpassenden Glanz gesonnt. Alle, aber auch alle hatten sich über ihn amüsiert, nur er hatte nichts davon bemerkt.
    „Venantius ist ein begnadeter Dichter  - oder sollte ich Lügner sagen?“, bemerkte Fredegund, „Mit solcher Unverfrorenheit einen hässlichen, einäugigen Mann zu einem wahren Adonis hochzustilisieren! Chilperich hat ihn nach Soissons eingeladen. Ich bin gespannt, was er dort über ihn verfasst.“
    „Bei einem so stattlichen Herrn wird ihm das Lobgehudel sicher leichter fallen“, entgegnete Brunichild und wurde plötzlich ernst. „Kannst du nicht noch etwas bleiben? Wenigstens, bis wir selbst aufbrechen?“
    Fredegund nahm Brunichilds Hand und streichelte

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