Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Meinung. Ganz in seiner Rolle als liebenswürdiger Berater und Vertrauter aufgehend, versprach er, mit dem Palastverwalter zu bereden, wie die Schweine weit genug untergebracht werden und doch zur Hand sein konnten, um rechtzeitig für die ausgiebigen Mahlzeiten in der Küche zu landen.
Bischof Nicetus hatte sie begleitet und lud sie schon bald zur Einweihung einer neuen kleinen Kirche ein, die er hatte erbauen lassen. Danach bat er sie zu Gast auf ein Gut in den Weinbergen oberhalb von Trier, das ihm gehörte. Das Haus eröffnete einen grandiosen Blick auf die Mosel und war mit jenen Annehmlichkeiten ausgestattet, die Brunichild für ihre eigenen Paläste vorschwebte, und außerdem von unaufdringlicher Eleganz und Schönheit. In dieser Villa lebte der Bischof ganz selbstverständlich mit seiner Familie zusammen. Er hatte fünf durchaus wohlgeratene Kinder.
Brunichild war verwirrt. Sie fühlte sich in ihrem neuen Glauben noch nicht zu Hause und die Selbstverständlichkeit, mit der Nicetius ihnen sein rundum glückliches Familienleben vorführte, brachte sie in Verlegenheit. Aber anscheinend stieß sich außer ihr niemand an den skandalösen Verhältnissen.
Venantius zumindest fühlte sich in dieser Gesellschaft ausgesprochen wohl, denn Nicetus legte großen Wert auf Tischkultur und geistreiche Unterhaltung. Hier konnte der Poet konkurrenzlos mit seinen dichterischen Gaben glänzen und errang mühelos die Bewunderung des Hausherrn.
Brunichild versuchte, mit Sigibert über ihr Missbehagen zu reden. Unbestreitbar war ihr Gatte fromm und gottesfürchtig, und es schien ihr undenkbar, dass ihn das zuchtlose Treiben des Bischofs völlig kalt ließ.
„Das kümmert mich nicht“, knurrte er abwehrend. „Was er hier treibt, geht mich nichts an, solange er seine Pflichten als Bischof erfüllt.“
„Ja, aber wir sind jetzt hier, und es geschieht vor unseren Augen.“
„Wenn es dich stört, schließ die Augen.“
„Das kann ich nicht“, gab sie empört zurück.
Sigibert blickte an ihr vorbei, sicheres Zeichen dafür, dass ihm das Gespräch unangenehm war. „Das liegt daran, dass du die Hintergründe nicht kennst. Meine Herrschaft hier im Osten hängt von Leuten wie Nicetus ab. Ich kann Männer mit Verstand, Weitsicht und Loyalität nicht aus dem Boden stampfen. Was zählen da schon ein paar harmlose Eigenheiten?“
„Fünf Kinder nennst du Eigenheiten ? Er führt ein unmoralisches Leben, und du weißt es genau.“
„Ich bin hier nicht als Tugendwächter, sondern als Gast“, polterte Sigibert. „Und jetzt lass mich zufrieden.“ Das Gespräch war beendet.
Brunichild aber war nicht bereit, die Angelegenheit ruhen zu lassen. Bei nächster Gelegenheit sprach sie mit Sidonia darüber. „Verstehst du das? Bischof Nicetus ist nicht nur verheiratet, sondern er geht anscheinend nach wie vor mit seiner Frau ins Bett.“ So drastisch hatte sie sich Sigibert gegenüber nicht ausgedrückt.
Sidonia lachte. „Auch Bischöfe sind Männer, und es ist besser, sie halten sich eine Ehefrau als eine Hure“, erklärte sie bündig.
Brunichild hatte in den ersten Wochen am Hof das unterschwellige Unbehagen gespürt, das ihr wegen ihres anderen Glaubens entgegengebracht worden war. Nach ihrem Übertritt breitete sich offenbar große Erleichterung aus, als hätte sie sich von einer furchtbaren Sünde reingewaschen, die auf allen gelastet hatte. Vorher war es ihr nicht in den Sinn gekommen, sich ernsthaft für das Gebaren des römischen Klerus zu interessieren, zumindest nicht wertend. Aber jetzt! Jetzt wollte sie Ordnung und strenge Befolgung von Regeln, die der neue Glaube für seine wichtigsten Vertreter aufstellte. Bischöfe waren Verwaltungsmenschen, Verbündete, Ratgeber, Kriegsherren und potenzielle Heilige, das hatte sie alles verstanden und billigte es - aber Männer ? Männer, die fortgesetzt ihr Keuschheitsgelübde brachen?
Wenn es keine anerkannten und befolgten Regeln gab, wozu hatte sie dann den Glauben gewechselt? Sie kam sich betrogen und hinters Licht geführt vor.
„Was sagst du dazu, Nanthild?“ Es kam selten vor, dass sie sich mit einer wichtigen Frage an sie wandte.
„Es ist besser, er kümmert sich um seine Familie. Die meisten verstoßen Frau und Kinder, sobald sie zu bischöflichen Ehren gekommen sind. Sein Verhalten ist menschlicher. Vor allem für die Kinder. Warum sollen sie in Scham und Schuld versinken? Kinder brauchen die Familie und ihren Schutz“, antwortete Nanthild mit gerunzelten Brauen,
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