Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
die Hände auf die Schultern. Irgendwie musste er doch diese Mauer aus Furcht und Ablehnung durchbrechen. Sie versteifte sich. Sie versteifte sich so sehr, dass er einen Schritt zurücktrat. „Jetzt sag selbst was!“, herrschte er sie an. „Was hast du dir gedacht? Du wolltest doch die Nacht hier verbringen, oder sehe ich das falsch?“
Aletha schluckte und rang nach Worten. „Ich könnte dort schlafen.“ Sie wies in die Ecke, wo ein paar Bretter lagen, über die ein Tuch und einige Ersatzkleidungsstücke Alethas ausgebreitet waren. Also so hatte sie es sich gedacht!
„Das kommt nicht in Frage! Entscheide dich. Entweder alles oder nichts.“
Aletha senkte den Kopf und rang mit den Tränen. „Ich dachte“, flüsterte sie, „du lässt mir Zeit, bis das Kind geboren ist.“
An das Kind hatte Wittiges überhaupt nicht mehr gedacht. Zwar hatte Barchild nach Art alter Hexen die Schwangerschaft erkannt, aber es war keine Zeit gewesen, darauf einzugehen. Er wollte sich auch gar nicht näher damit befassen, der Gedanke war ihm eindeutig zuwider. Jemand hatte dieser jungen Frau auf nachdrückliche Weise seinen Stempel aufgeprägt. Sie war nun Ware aus zweiter Hand, etwas, was er in den letzten Wochen erfolgreich verdrängt hatte.
„Bitte!“ Aletha hob den Kopf und hielt seinem Blick stand. Der Umhang fiel ihr aus den Händen. Wittiges trat drauf, als er sie wieder an den Armen fasste und sie zu sich heranzog. Irrlichter funkelten in ihren dunklen Augen. Langsam beugte er sich zu ihr hinab und streifte mit den Lippen ihre weichen Wangen. Auf einmal schmeckte er Tränen und hatte das Gefühl, tief in ihr Inneres einzudringen. So viel Nähe! Und so viel Leid.
Behutsam schob er sie von sich. „Ich schlafe in der Ecke, und du nimmst das Bett.“ Das Lächeln, mit dem er sie beruhigen wollte, kostete ihn große Anstrengung. Aber der gehetzte Ausdruck verschwand aus ihren Augen. Ehe er sich versah, schlang sie ungestüm die Arme um ihn, trat aber rasch zurück, bevor er die Geste als Einladung verstehen konnte.
„Ich ..., ich danke dir“, stammelte sie.
Er hatte ihr nichts versprochen. Wenig später lag er auf den Brettern, die bei jedem Umwenden unter ihm knarrten. Es dauerte eine Weile, bis er eine einigermaßen bequeme Lage gefunden hatte. „Dann bleibt es dabei, dass wir morgen früh nach Reims aufbrechen, dort den Purpur verkaufen und Einkäufe tätigen?“, fragte er in sachlichem Ton. Er hielt die Augen geschlossen, aber plötzlich riss er sie erstaunt auf.
Aletha kniete neben seinem Behelfsbett. Über das dünne Hemd hatte sie ihren Umhang wie eine Decke geschlungen, aber im Ausschnitt erspähte er einen verführerischen Streifen rosiger nackter Haut, dessen Anblick sogleich eine unerwünschte Erregung auslöste. Warum hörte sie nicht auf, ihn zu quälen?
„Was willst du? Warum schläfst du nicht?“, murmelte er.
„In Paris bekäme ich mehr für den Purpur. Bitte, lass mich versuchen, ihn in Paris zu verkaufen!“
Er verstand sie nicht. „Wieso Paris?“ Er sog den Duft nach junger Haut, vermischt mit den Aromen von Salbölen, ein. Es war eine Tortur, ruhig und beherrscht zu bleiben.
„Ich habe mich umgehört. Chariberts Hof ist der größte und bedeutendste und Paris ein Handelszentrum wie Marseille. Wir hätten mehr Geld.“ Aletha stand auf und huschte zu dem ordentlichen Haufen mit ihren persönlichen Sachen. Sie kam mit einem Kästchen zurück, in dem Wittiges unschwer ihre kleine Schatztruhe erkannte, die er ihr am Tag nach der Hochzeit zurückgegeben hatte. Sie klappte sie auf. „Das kannst du alles haben. Es sind auch fünfzig Solidi dabei, hast du das vergessen?“
Er klappte die Truhe wieder zu. „Das ist alles deins. Davon nehme ich nichts.“
Ihre Mitgift würde er nicht anrühren. Nicht, solange sie dieses unbestimmte Verhältnis zueinander hatten. Im Fall einer Scheidung – und diese Vorstellung war weiß Gott nicht abwegig – war er sowieso zur Herausgabe der Mitgift verpflichtet.
„Ich will, dass du es nimmst“, bat sie inbrünstig. „Setz es ein, wo du es für richtig hältst.“
„Kommt nicht in Frage.“ Demonstrativ drehte er sich auf die andere Seite, die Bretter knarzten wieder unschön. Aletha huschte zurück auf ihre Seite.
Wittiges schlief unruhig, immer wieder weckte ihn das Knarren der Bretter unter ihm. Am nächsten Morgen war Alexander als Erster auf und machte sich an der Feuerstelle zu schaffen. Wittiges bemerkte sofort den forschenden Blick, den er
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