Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
hinüber, sodass er sie berühren konnte. Sie hielt sich ganz steif. „Weil ich Felix schützen will. Und dazu muss ich die Gefahren abschätzen können, die auf ihn lauern. Verstehst du? Verzeih mir, ich wollte dich mit meinen Fragen nicht beleidigen, und auch altes Leid nicht unnötig aufrühren. Es tut mir leid, Aletha, es tut mir wirklich leid.“ Er streichelte sie. „Wir müssen wachsam sein. Weder den Westgoten, noch den Burgundern soll Felix in die Hände fallen. Er ist mein Sohn, unser Sohn, und das soll er bleiben. Wir drei sind eine Familie und jeden, der sich zwischen uns stellt, bringe ich um.“ Auch Cniva, sollte er jemals auf seine alten Ambitionen zurückkommen, fügte er in Gedanken hinzu.
Aletha rückte so nah, dass er sie und Felix umarmen konnte, und dann schlief er endlich ein.
3
Den Rest des Jahres und bis in den Herbst des nächsten musste Wittiges viele Wochen in Lyon verbringen, während die Anklage gegen Chilperich vorbereitet wurde. Chilperich bestritt nachdrücklich jede Schuld an Gailswinthas Tod und ließ das Zeugnis nicht gelten, das Wittiges wiederholt vor dem einberufenen Richtergremium ablegte und mit Eiden bekräftigte. Der Krieg zwischen den Brüdern trat unterdessen auf der Stelle. Sigibert belagerte weiterhin Soissons und war auch in die Civitas von Paris eingedrungen, was Guntram ihm übel nahm, schließlich galten Paris und seine Umgebung als Gemeinschaftsbesitz. Er sandte geharnischte Briefe nach Reims oder in die Feldlager bei Soissons oder Paris, und obwohl es kaum eine Freude war, solche Briefe zu überbringen, war Wittiges jedes Mal froh, wenn er der Bote sein durfte. Denn für ein paar kostbare Tage konnte er heimkehren. Nach über einem Jahr kam er sich bei diesen Gelegenheiten kaum noch als Hausherr, sondern eher wie ein geehrter Gast vor. Der Gutsbetrieb lief ohne ihn fast zu gut für seinen Seelenfrieden. Felix lernte sprechen, und er war nicht dabei. Eine gute Ernte wurde eingebracht und ein Dankfest gefeiert, und er war nicht dabei. Leute vom Gut heirateten und er konnte ihnen nicht seinen Segen erteilen. Das tat stattdessen Pontus als sein Bevollmächtigter.
Sigibert dachte nicht daran, ihn von seinen unangenehmen Pflichten zu entbinden, im Gegenteil, sie weiteten sich sogar aus. Er schickte ihn durch die feindlichen Linien nach Poitiers, wo er eine Unterredung mit Radegunde hatte, der sehr geschätzten Stiefmutter der königlichen Brüder, die sie wie eine lebende Heilige verehrten. Vor allem Sigibert liebte sie und hoffte auf ihre Unterstützung. Sie griff auch mit ihren Mitteln in den Streit ein und ermahnte Chilperich, sich dem Urteil Guntrams zu unterwerfen. In Poitiers traf Wittiges auf Venantius, der schon vor einiger Zeit die Reise in den Süden angetreten hatte. Zunächst hatte der Dichter das Grab des heiligen Martin in Tours besucht, um damit ein altes Gelübte zu erfüllen, und danach hatte er die Bekanntschaft Radegundes gemacht, für deren Kloster er seitdem als Schreiber tätig war.
Venantius freute sich über das Wiedersehen mit Wittiges, und dieser war entzückt, als er dahinterkam, wie gut der Dichter und jetzige Klosterschreiber über Chilperichs Kriegerhorden unterrichtet war. Sie zogen plündernd durch die Umgebung der Städte und verwüsteten das Land, eine schlecht disziplinierte Truppe, die am eigentlichen Krieg kein Interesse hatte. Sigibert würde dankbar für diese Nachrichten sein.
„Hauptsächlich erkenn ich dich am Bart“, rief Pontus grinsend. „Ansonsten kommst du jedes Mal anders daher. Mal zerlumpt wie ein Bettler, mal prächtig wie ein Herzog. Aber diesen Bart hast du schon eine Weile.“
Wieder einmal durfte Wittiges sich eine Atempause in Casa alba gönnen. Er reiste inzwischen mit zwei Leibwächtern, nachdem er mit knapper Not einem Anschlag entkommen war, und bediente sich gelegentlich der einen oder anderen Verkleidung. Die Attentäter, darüber gab es keinen Zweifel, waren von Chilperich mit dem Auftrag geschickt worden, den wichtigsten Zeugen in dem Prozess gegen ihn zu beseitigen. Deshalb war es für Wittiges lebensnotwendig, seine Gegner immer wieder mit neuen Finten zu täuschen. Kurz vor Reims hatte er seine Begleiter verabschiedet und ihnen erlaubt, ihre Familien in der Umgebung der Königsstadt aufzusuchen. Die beiden waren junge Burschen aus Sigiberts Gefolge. Diesmal war seine Aufmachung eher unauffällig, weder besonders schäbig noch aufwendig. Den leichten Mantel hatte Aletha gefertigt, und Pontus
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