Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
hatte ihn schon aus einer gewissen Entfernung erkannt. Den Mantel, das Pferd und Wittiges selbst. Pontus hatte Edwins ehemalige Besitzung aufgesucht, um dort nach dem Rechten zu sehen, und war kurz vor dem Gut zufällig auf Wittiges gestoßen.
„Dann muss ich ihn abrasieren. Wenn du mich am Bart erkennst, erkennen mich auch andere daran“, gab Wittiges launig zurück und strich sich über das behaarte Kinn.
„Sei froh, dass wir dich hier noch auf Anhieb erkennen“, brummte Pontus und fügte hinzu: „Gott sei gelobt, dass du da bist! Und er möge diesen unseligen Krieg beenden, damit hier endlich wieder friedliche Verhältnisse herrschen.“
Wittiges ahnte Schwierigkeiten. Kaum war er daheim, wurde er mit Streitfällen und kleineren Auseinandersetzungen konfrontiert und es vergingen viel zu viele Stunden damit, in all diesen Angelegenheiten Urteile zu fällen oder eine Stellungnahme abzugeben. Oft genug waren längst Regelungen getroffen worden, die er nur zu bestätigen hatte. Aber dennoch musste er sich die ganzen üblen Geschichten anhören.
„Falls du auf etwas Bestimmtes anspielst, hat das bis nachher Zeit?“, fragte Wittiges seufzend. „Ich möchte erst sehen, ob mir Felix über den Kopf gewachsen ist, und mich mit einem heißen Bad und einem Becher Wein stärken.“
„Kommt drauf an, wie lange du diesmal bleibst“, wandte Pontus ein. „Bist du morgen noch da?“
„Was ist das für ein Fohlen?“ Wittiges ging über die Stichelei hinweg und deutete auf ein Pferdchen, das übermütig auf der Weide herumtollte.
„Brachte vor vier Wochen jemand vom königlichen Hof in Reims und hat behauptet, du wüsstest Bescheid“, antwortete Pontus. „Was sollen wir bloß mit dem Tier anfangen? Es hat nur Flöhe im Hintern.“
„Hengst oder Stute?“, fragte Wittiges träumerisch.
„Hengst“, brummte Pontus.
Wittiges begann zu strahlen. Bellas zweites Fohlen! Brunichild hatte Wort gehalten und ihm das Tier geschickt, und während er es noch beobachtete, begann sich eine Idee in seinem Kopf zu regen. Das andere Fohlen, die Stute, sah zwar immer noch hässlich aus, hatte sich aber ansonsten gut entwickelt, und Wittiges konnte bereits erahnen, dass sich die ungünstigen Proportionen zurechtwachsen würden. Das Ergebnis dieses zufälligen Zuchtexperiments würde sie vielleicht noch alle überraschen. Und nun hatte er zwei von dieser einmaligen Sorte. Erfreut lachte Wittiges in sich hinein.
Seine Heiterkeit schien Pontus zu stören. „Ich weiß nicht, was es da zu grinsen gibt. Komm heim und leih mir für zwei Stunden dein Ohr. Dann hast du nichts mehr zu lachen.“
Die Aussprache musste bis nach dem Abendessen warten. Da hatte Wittiges schon einen ausgedehnten Rundgang hinter sich. Er war hocherfreut über eindeutige Fortschritte und insgeheim traurig, dass diese ganz ohne sein Zutun erzielt worden waren. Er merkte aber auch, dass sich unter seinen Leuten eine gewisse Unruhe ausgebreitet hatte.
Wittiges verspürte wenig Lust, sich gleich am ersten Abend Pontus’ Klagen anzuhören. Aber sein Freund und jetziger Verwalter bestand darauf. Wittiges nahm Felix mit, und sie setzten sich in den kleinen Innenhof, der der engeren Familie vorbehalten war. Dies war eigentlich Alethas Reich, wo sie mit ihren Frauen Webmuster entwarf, Kleider nähen ließ und wo die Kinder der Villa von ihr und Cniva Unterricht erhielten.
Felix war nun knapp drei Jahre alt. Wie von jeder Reise hatte Wittiges ihm auch diesmal ein Geschenk mitgebracht, ein Pferdchen mit vier Rädern unter den Hufen, damit es sich ziehen ließ. Bis auf die hölzernen Radachsen bestand das Spielzeug aus Ton. Felix stand zwischen Wittiges Knien und lehnte sich mit dem Rücken an ihn, während er entzückt das Pferd untersuchte. Wittiges genoss es, den Kleinen bei sich zu haben und diesen unverkennbaren Kindergeruch einzuatmen, den Duft nach Milch und junger Haut.
„Hat sich Pontus schon über Cniva beklagt?“ Aletha schlüpfte in den Hof, eine Kunkel in der Hand und ließ sich im Schatten des überstehenden Daches neben Wittiges auf einem Hocker nieder. Es war Spätherbst, aber noch warm. Um die Pfeiler, die das Dach trugen, wanden sich Weinranken, die sich feuerrot verfärbt hatten. Zwischen den Blättern hingen reife dunkelblaue Trauben.
Pontus schnaubte ärgerlich. „Hast du vor, dich einzumischen?“, funkelte er Aletha an.
„Natürlich“, erwiderte Aletha seelenruhig und ließ die Kunkel kreisen. Aus einem Beutel, den sie über der
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