Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
hinaus und lass mich sehen, wie es läuft“, fuhr Rado fort.
Stöhnend fasste sich Wittiges an den Kopf. „Muss das sein?“
„Was ist jetzt mit dem Wasser?“, fragte ein Stallknecht, der einen Eimer herbeigeschleppt hatte. „Soll ich’s ihm über den Kopf gießen?“
Wittiges nahm dem Burschen den Eimer ab und tauchte den Kopf hinein. Das kalte Wasser tat gut. Rado und der Knecht grinsten anzüglich, als er sich aufrichtete und das tropfende Haar aus der Stirn strich.
„Dass ihr jungen Kerle das Saufen und die Raufhändel nicht lassen könnt! Na, was ist jetzt?“, erkundigte sich der Stallmeister jovial. „Wie lange willst du mich noch warten lassen?“
Rados allzu intensiver Blick bewog Wittiges, seinen Mund zu betasten. Er war auf einer Seite stark geschwollen und brannte höllisch. Und nun erinnerte sich Wittiges an den Schlag, den er ins Gesicht erhalten hatte. Vorsichtig prüfte er mit der Zunge, ob die Zähne noch alle vorhanden waren. Zumindest einer war locker.
„Warum willst du sehen, wie das Pferd läuft? Du hast dich doch bisher nicht dafür interessiert“, murmelte er gepeinigt.
„Heute Morgen hat jemand nach dir gesucht und irgendwelche Wunderdinge über den Gaul berichtet. Also kommst du mit ihm hinaus?“ Der Stallmeister streckte die Hand aus, um Bautos Maul zu tätscheln, doch der schnappte danach. „Auch noch bissig, das Biest.“
„Er hat’s nicht gern, wenn ihn Fremde anfassen“, sagte Wittiges mit einem Anflug von Hochmut. Alexander war also dagewesen und hatte nach ihm gefragt. Mittlerweile waren auch die letzten Lücken in seinem Gedächtnis hinsichtlich der üblen Vorkommnisse des letzten Tages geschlossen. Die an den Eunuchen hatten ihm noch gefehlt. Dieser Alexander ist an meinem Elend mitschuld, dachte er ungerecht. Und überhaupt fiel ihm das Denken schwer. Um den Stallmeister und den grinsenden Knecht loszuwerden, warf er Bauto das Halfter um und führte ihn am Zügel stolpernd und hinkend aus dem Stall.
Im Hof kämpfte er erst recht gegen die Schwäche und die Blendung durch das gleißende Licht an. Der Sonnenstand bestätigte seine Vermutung: Es war Mittag.
Zögernd, mit einer langen Leine sowie einer über die Schulter gehängten Peitsche näherte sich der Knecht dem kleinen Hengst. Bauto drehte den Kopf zu Wittiges, als wollte er fragen: Darf der das?
„Halt still“, sagte Wittiges, trat beiseite und sah zu, wie der Knecht vorsichtig mit der Leine den Zügel verlängerte und dem Hengst einen leichten Schlag aufs Hinterteil gab, damit er sich in Bewegung setzte. Tatsächlich drehte er an der Leine gemächlich eine Runde in dem nicht sehr großen und etwas schmuddeligen Stallhof.
„Lass ihn traben“, verlangte Rado, und Wittiges schnalzte mit der Zunge. Danach musste Bauto auch noch eine Runde im Galopp zurücklegen, was ihm sichtlich Spaß machte. Er preschte so, dass der Dreck flog.
Kopfschüttelnd beobachtete der Stallmeister den Hengst. „Ist das alles, was er kann?“
„Was hast du erwartet? Dass er die Hufe hebt und fliegt?“, entgegnete Wittiges verärgert. Jedes Wort dröhnte und schmerzte in seinem Schädel. „War’s das? Oder erwartest du allen Ernstes irgendein Kunststück? Bauto ist ein ganz gewöhnliches Pferd. Vielleicht etwas klein geraten und ein bisschen auffällig mit dem dunklen Strich über der Kruppe und der zweifarbigen Mähne, aber das macht ihn zu nichts Besonderem.“
„Ich verstehe nicht, was mir dieser Bursche erzählt hat. Nichts als Gewäsch, hätte ich mir denken können“, murmelte Rado, blieb aber lässig an die Stallwand gelehnt stehen. „Tja, was ich noch ...“ Er stockte. Stieß sich von der Wand ab und starrte Bauto an.
Der Hengst war, als er merkte, dass die Aufmerksamkeit des Knechts nachließ, erst in Trab gefallen und dann in Schritt. Aber dieser Schritt ...
„Was macht er da?“, fragte der Stallmeister ungläubig.
„Er läuft im Kreis“, nuschelte Wittiges, während er auf Bauto zuging, „aber nicht mehr lange.“
„Nein, warte! Lass ihn, halt ihn nicht auf!“, rief der Stallmeister aufgeregt. „Woher hat er das nur?“, raunte er halblaut.
„Das ist angeboren“, brummte Wittiges abwehrend.
„Eine neue Gangart bei einem Pferd! Hab ich noch nie gesehen. Wie nennst du sie oder hat sie keinen Namen?“
Passgang hätte Wittiges antworten können, ließ es aber sein. Tölt hatte sein Vater es genannt, Bauto konnte tölten. Er tat es ganz von selbst, aber auch auf Kommando. Wenn Wittiges
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