Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
er Bauto die Fersen in den Bauch und schnalzte mit der Zunge.
Der kleine Hengst stieg und machte einen Satz nach vorn, mit dem die Widersacher nicht gerechnet hatten, und fiel in einen scharfen Galopp. Wittiges zog den neuen Dolch und spähte über die Schulter zurück, denn jeden Moment erwartete er einen Angriff von hinten. Aber merkwürdigerweise setzten ihm Falco und Ingomer nicht nach. Als Wittiges wieder nach vorn blickte, entdeckte er den Franken, dessen Hengst er kuriert hatte. Er hatte ihm noch am Morgen zu einem abendlichen Ausritt geraten, damit sich das Pferd wieder an Bewegung und Belastung gewöhnte, bevor es die lange Heimreise antrat. Der Franke winkte lässig und trabte an ihm vorbei. Wittiges nutzte die Gelegenheit und feuerte Bauto weiter an, bis er den Palast sicher und unbehelligt erreichte.
Da Wittiges nun wusste, warum er in den vergangenen eineinhalb Wochen nicht wieder auf Falco und Ingomer gestoßen war, verhielt er sich doppelt vorsichtig, um auch die letzten Tage heil zu überstehen, bis der fränkische Spuk ein Ende hätte. Noch einmal schärfte er den Stallburschen ein, auf die beiden zu achten und sofort zu melden, wenn sie sich dem Stall näherten. Und trotzdem huschte jemand unbemerkt herein, eine Gestalt in einem weiten dunklen Umhang, die ihrem verstohlenen Gebaren nach hier nichts zu suchen hatte. Wie jeden Abend hatte Wittiges zum Abschluss des Tages den Verschlag mit der Stute und dem Fohlen besucht. Einer der Stallmeister hatte erwähnt, dass die beiden Pferde ins Frankenreich mitgenommen würden. Wittiges hielt die Absicht für unverantwortlich. Das Fohlen würde eine so lange Reise nicht überstehen. Das Vorhaben zeugte von grenzenlosem Leichtsinn oder ausgeprägtem Egoismus, und er vermutete, dass Brunichilds Wunsch dahinter steckte. Hatte denn niemand versucht, ihn ihr auszureden? In Gedanken mit seiner Empörung beschäftigt, fiel ihm die Gestalt erst auf, als sie schon fast vor ihm stand.
Wittiges riss seinen Dolch heraus. Mit einem Schreckenslaut fuhr die Gestalt zurück.
„Erstich mich nicht! Ich will doch nur nach meinen Pferden sehen.“ Durch eine ruckhafte Kopfbewegung glitt die Kapuze zurück und enthüllte blondes Lockenhaar. „Bitte, steck den Dolch weg!“, fuhr Brunichild fort.
Hastig kam Wittiges der Aufforderung nach. Verwirrt blickte er sich um. „Wo ist deine Begleitung?“
„Heute komme ich allein“, äußerte Brunichild lässig und streckte der Stute die Hand entgegen. „Hast du einen Apfel oder eine Möhre, die ich ihr geben kann?“ fragte sie, ohne sich umzublicken.
Wittiges war wie vor den Kopf geschlagen. Nun, da sein innigster Wunsch in Erfüllung ging, rann ihm das Blut wie flüssiges Blei durch die Adern und er spürte nichts als tölpelhafte Unbeholfenheit.
„Jetzt im Januar? Was denkst du dir eigentlich?“ Zu spät ging ihm auf, wie grob seine Antwort klang. Eine Unverschämtheit gegen eine Prinzessin. Aber sie nahm es ihm nicht übel. Im Gegenteil, sie lachte.
„Die Frage war dumm, nicht wahr? Du musst mich für eine Gans halten. Aber ich hab nicht so viel Ahnung von diesen Dingen wie du.“ Wie absichtslos legte sie ihm die Hand auf den Arm. Wittiges erstarrte, während ihm der Mund trocken wurde. Und ehe er sich versah, ergriff sie seine Hand und drehte sie um. Mit einem Finger strich sie sacht über die Innenfläche. „Das hab ich mir gedacht. Deine Hand ist voller Schwielen. Hast du immer so hart gearbeitet?“, fragte sie mit leiser, seltsam schwingender Stimme.
Ein Kribbeln überlief Wittiges, und die Kehle wurde ihm eng. Er blickte auf den blonden Lockenkopf hinab, und eine lange aufgestaute Zärtlichkeit brach sich Bahn. Auf einmal fühlte er sich herausgehoben aus der Zeit und gleichzeitig merkwürdig schwach. Das, was er nun erlebte, war ein Traum. Es hatte nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Und deshalb durfte er es auch wagen, eine Strähne dieses goldenen Haars um den Finger zu wickeln.
„Das tut weh!“, rief Brunichild. „Lass los!“
Erschrocken versuchte Wittiges den Finger zu befreien, aber unversehens war er in ein Gerangel verstrickt, das er bestimmt nicht gewollt hatte. Es war zum wahnsinnig werden. Je verzweifelter er sich bemühte freizukommen, desto näher rückte er der Prinzessin. Schließlich lehnte sie sich schwer atmend an seine Brust.
„Halt still, halt endlich still!“, zischte sie und ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr ins Gesicht zu sehen, während sie ihr Haar aus seinen
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