Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Kanzlei des Königs nicht darum ersuchst, in das Gefolge der Prinzessin aufgenommen zu werden. Es sind nicht nur wir Franken, die sie zu ihrem Gemahl begleiten.“
Wittiges hätte sagen können, dass ihn seine bisherigen Erfahrungen mit der Kanzlei davon abhielten, mit einem neuen Gesuch dort vorzusprechen. Schließlich war auf das von ihm vorgelegte Empfehlungsschreiben nie eine Antwort erfolgt. Er zuckte nur die Schultern, und der Franke verabschiedete sich.
Bis in die Nacht hinein beaufsichtigte Wittiges die Überprüfung von Zaumzeug und Sätteln und machte sich schließlich müde und hungrig auf den Weg zu den Küchen. Aber wahrscheinlich war es zu spät, um noch etwas zu essen zu bekommen. Daher beschloss er, trotz der vorgerückten Stunde bei Alexander vorbeizuschauen, bei dem er selbst mitten in der Nacht willkommen war. Meist stand etwas Brot und Käse als später Imbiss bereit.
In den Höfen herrschte selbst jetzt noch Geschäftigkeit, gereizte Rufe und Befehle schallten. In einem Hof standen in langer Reihe für die Abreise beladene Karren, von westgotischen Kriegern bewacht, - Brunichilds bewaffneter Eskorte. Diese Männer würden in der Nacht kein Auge zutun. In der Frühe würde man Ochsen vor die Wagen schirren. Ein besonders kunstvolles Gefährt war für die Prinzessin und ihre persönlichen Dienerinnen vorgesehen. Als Wittiges den Reisekarren sah, befiel ihn Schwermut. Es gab nur einen, der seinen Kummer verstehen konnte. Von ihm erhoffte er sich ein bisschen Trost.
Auf den letzten Stufen der Treppe hatte ein Stiefel blutige Abdrücke hinterlassen. Wittiges verharrte und betrachtete die grausigen Spuren, bevor er, den Dolch in der Hand, die Tür aufstieß. Hinter ihr setzte sich die Blutspur fort. Vor dem Bett lag der kleine Diener Philipp mit durchschnittener Kehle inmitten herabgerissener Decken und Kissen. Ringsum war der ganze Raum verwüstet. Die Instrumente waren von der Wand gerissen und auf dem Boden zerschmettert worden, Tische waren umgestürzt und in einem See aus dunkelrotem Wein lagen die Scherben eines zerbrochener Krugs.
Alexander hatte sich in den Baderaum geschleppt. Seine Augen waren fast gänzlich zugeschwollen, der Mund hing schief, ein Winkel war blutig aufgerissen, der Körper entblößt. Voller Entsetzen kniete sich Wittiges neben ihn und tastete behutsam nach dem Herzschlag. Auf einmal schrie Alexander auf und packte seine Hand.
„Beruhige dich, ich bin’s“, sagte Wittiges. „Kannst du sprechen? Wo finde ich einen Arzt?“
„Philipp!“ Es war nur ein Krächzen.
„Ich kümmere mich um ihn“, murmelte Wittiges mit flacher Stimme. Mühsam öffnete Alexander die Augen, sah ihn an und las ihm wohl die Wahrheit vom Gesicht ab.
„Tot?“
Wie unter Zwang nickte Wittiges. „Ich bring dich von hier weg.“
„Hilf mir auf!“
Es war grässlich anzusehen, wie sich der geschundene Mund quälte, verständliche Laute hervorzubringen. Wittiges hielt es nicht für ratsam, Alexander auf die Füße zu stellen, aber dieser blieb stur. Auf seinen Arm gestützt, wankte er in den Wohnraum, bis er die Leiche Philipps erreicht hatte.
„Er war doch noch ein Kind“, schluchzte er.
„Komm jetzt“, sagte Wittiges bestimmt. „Notfalls trage ich dich. Ich nehme dich mit in meine Unterkunft, dort bist du erst einmal sicher.“
„Wozu noch?“
Alexanders Gegenwehr war zu schwach, um Wittiges an seinem Vorhaben zu hindern. So ließ er es am Ende geschehen, in einen Umhang gehüllt und zur Tür geführt zu werden. Weil ihm immer wieder die Beine versagten, musste ihn Wittiges größtenteils tragen. Er schaffte ihn die Treppe zu seiner Unterkunft über den Ställen hinauf und als er ihm ins Bett geholfen hatte, fand er es besser, ihn nicht zu verlassen. Denn Alexander hatte einmal nach seinem Dolch getastet, und Wittiges fürchtete, dass er sich die Pulsadern aufschneiden wollte. Gegen morgen endlich schlief Alexander ein, und Wittiges wagte es, dessen Wohnung einen Besuch abzustatten. Alexander hatte ihn darum gebeten. Unter einem umgestürzten Tisch entdeckte er zwei Schriftrollen, die er an sich nahm. Das Kästchen mit den Ersparnissen, das er ebenfalls suchen sollte, war leer. Alexander war nicht nur überfallen, sondern auch ausgeraubt worden.
Das Blut, das sich unter dem kleinen Philipp ausgebreitet hatte, war getrocknet. Für den Jungen konnte Wittiges nichts mehr tun. Er warf eine Decke über die Leiche und eilte hinaus.
Im Haupthof, vor dem Wohnpalast des Königs,
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