Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
sofort bleiben!“, entgegnete sie schroff. „Und wage es nicht noch einmal, meine Sachen anzufassen, bevor ich dich ausdrücklich dazu auffordere.“ Sie war sicher, dass lediglich Neugier diese Frau antrieb – und natürlich der Wunsch, Brunichild von Anfang an ihren Willen aufzuzwingen. Wahrscheinlich hatte sie gedacht, ihr Auftreten wirke genügend einschüchternd. „Hast du das verstanden? Meine Magd Aletha kümmert sich um meine Garderobe. Sie kennt meine Wünsche.“
Nanthild streifte Aletha mit einem Blick, der ausdrückte, wie wenig sie von der jungen Sklavin hielt. „Das Auftreten einer zukünftigen Königin, zu dem auch angemessene Kleidung gehört, ist bei uns nicht Angelegenheit von Dienstmägden. Ich dachte, Gogo hätte klargemacht, wozu wir hier sind. Du hast noch viel zu lernen, Prinzessin.“
Die Reste des Frühstücks standen auf einem Tischchen. Wie absichtslos streifte Brunichilds Hand darüber, aber als sie den Arm hochriss, hielt sie das scharfe Speisemesser umklammert. Mit zwei Schritten hatte sie die Frau erreicht und ihr das Messer an die Kehle gesetzt.
„Glaub mir, Nanthild, ich bin es gewöhnt, dass man mir gehorcht und nicht umgekehrt. Wenn ich eine Belehrung benötige, lasse ich es dich wissen. Und jetzt geh mir aus den Augen“, erklärte sie ruhig, fast beiläufig.
Die Frau zitterte. Ihre Augen waren groß und rund vor Entsetzen, und als Brunichild das Messer sinken ließ, wich sie zurück, drehte sich um und stürzte zur Tür.
„Aletha“, sagte Brunichild gelassen, „räum das Frühstück ab. Bitte, sei so gut.“ Sie wandte sich an die andere Frau. „Und was ist mit dir? Willst du mich auch belehren, herumkommandieren oder mir anders lästig fallen?“
„Nie im Leben!“, hauchte Sidonia, sank in einen tiefen Knicks und kicherte dabei.
Die rundliche blonde Frau mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein und lachte offensichtlich gern. Ihre blauen Augen, die sich verlangend auf das Brot und den Käse vom Frühstück richteten, waren von einem Kranz feiner Linien umgeben.
Brunichild war der Blick nicht entgangen. „Hast du Hunger? Dann bedien dich.“
Sidonia kam der Aufforderung ohne Umstände nach und ließ sich aufatmend an dem Tischchen nieder. Treuherzig schaute sie zu Brunichild auf. „Danke. Wir hatten unterwegs nicht viel Zeit zum Essen. Und heute früh gab es nur eine winzige Schale Brei.“ Verlegen erhob sie sich wieder, ein Stück Brot in der Hand. „Entschuldige, ich vergesse meine Manieren. Ich sollte mich nicht setzen, wenn du stehst. Aber nochmals danke für das Brot.“
„Hör zu“, erklärte Brunichild geduldig. „Wir sind hier weder im Thronsaal noch bei einem offiziellen Bankett. Wenn ich dich auffordere zu essen, so setz dich in Gottes Namen und iss. Ich hasse alles unnötige Getue.“
Erlöst seufzte Sidonia auf.
Die Weiterreise führte nur eine kurze Strecke über Land und wurde dann auf der Rhône fortgesetzt. Als die Sonne am ersten Abend hinter dunstigen Wolkenschleiern versank, trat Gogo zu Brunichild an die Reling des Schiffes.
„Wie ich hörte, hattest du mit Nanthild eine kleine Auseinandersetzung“, sagte er.
„Das habe ich bereits vergessen“, erklärte Brunichild lässig. „Die Damen, die mir Sigibert geschickt hat, sind mir hochwillkommen.“ Es entsprach nicht ganz der Wahrheit, hörte sich aber gut an.
Ein seltsamer Laut ließ sie herumfahren.
Gogo hatte beide Hände auf die Reling gelegt und lachte. Zumindest klang es so, denn das Geräusch verebbte ebenso rasch wie es angefangen hatte. „Da bin ich sicher“, murmelte er. „Ich kenne Nanthild. Sie ist eine Cousine dritten oder vierten Grades von mir. Gut, dass du gleich klargestellt hast, wie sie sich dir gegenüber zu verhalten hat. Ich hätte Sigibert davon abgeraten, sie zu schicken. Aber vielleicht ist sie keine so üble Wahl, da du sie ja zu nehmen weißt.“ Vielleicht wollte er noch mehr sagen, verstummte aber. Der Fluss machte eine Biegung und im letzten Abendlicht glitt eine friedliche Landschaft vorüber. Auen, Wälder, Gehöfte, ein Flickenteppich aus Feldern. Wider Erwarten schien Gogo weder mürrisch noch zornig, sondern genoss schweigend und entspannt die Abendatmosphäre. Es war seltsam, aber in Gegenwart dieses furchterregenden Mannes fühlte sich Brunichild zum ersten Mal auf dieser Reise geborgen.
Am Flussufer tauchte ein Reiter auf und winkte herüber. Gogo winkte zurück, bevor der Mann hinter Weidengebüsch verschwand. Erst jetzt bemerkte
Weitere Kostenlose Bücher