Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
beschlich sie das Gefühl, dass Gogo regelrecht Gefallen an dem Gespräch fand. Und irgendwann sagte er, wie leid ihm der Tod des Fohlens tue.
Auf dem Schiff wehte immer ein frischer Wind. Deshalb hielt Aletha für Brunichild stets einen wärmeren Umhang bereit. Sonst hatte sie kaum etwas zu tun. Der Blick auf die vorüberziehende Landschaft machte sie ein bisschen schwindelig oder benommen. Vielleicht kam das auch vom Hunger. Aus Angst vor einer unerklärlichen Übelkeit wagte sie kaum noch, etwas zu sich zu nehmen. Jeden Morgen überfiel sie diese Übelkeit, das erste Mal vor drei Tagen. Sie war vom Frühstück aufgesprungen, hinausgerannt und hatte sich über die Reling gebeugt erbrochen. Doch der Wind hatte ihr das Erbrochene wieder ins Gesicht geweht. Auf der Suche nach einem Eimer Wasser war sie Sidonia begegnet.
„Armes Häschen“, hatte die Edelfrau mitleidig gemurmelt und dann gezwinkert. „So fängt es meistens an. Aber das vergeht.“
„Ich vertrage das Geschaukel des Schiffs nicht“, hatte Aletha würdevoll erklärt. „Mir ging es auch auf See nicht gut.“ Das stimmte nicht ganz, denn auf See hatte sie sich nicht erbrechen müssen, aber das ging die Frau nichts an. Aletha war darauf bedacht, von den beiden Edelfrauen so wenig wie möglich beachtet zu werden. Noch wusste sie nicht, wie diese einzuschätzen waren.
„Du musst es ja wissen“, sagte Sidonia fröhlich. „Mir macht die Schiffsreise jedenfalls nichts aus. Ich finde sie tausendmal angenehmer als die Fahrt in einem Karren, in dem man den ganzen Tag durchgerüttelt wird.“
7
Gogo streckte einen Arm aus und deutete nach vorn. Über den Baumkronen tauchten im Morgendunst Dächer auf. „Lyon“, erklärte er. Sie standen wieder einmal an der Reling, aber Gogo wirkte weniger entspannt als sonst.
„Schon?“, rutschte es Brunichild heraus.
Mit einem Mal wurde aus Gogo wieder der finstere Krieger, als den sie ihn kennengelernt hatte. Er straffte sich und die Verbindlichkeit der letzten Tage fiel von ihm ab. „Wurde höchste Zeit“, knurrte er und stapfte davon.
Schon vor Tagen hatte er angekündigt, dass sie die Fahrt in Lyon unterbrechen würden. In der ehrwürdigen alten Stadt befand sich eine der Residenzen König Guntrams. Lyon war das Zentrum von Burgund, Guntrams Lieblingsprovinz, hier hielt er sich besonders gern auf. Wahrscheinlich hatte Gogo ihm einen Boten geschickt und den Schiffskonvoi angekündigt. Brunichild würde ihre neuen Verwandten kennenlernen. Kennenlernen müssen .
Obwohl seit Monaten darauf vorbereitet, machte ihr die Vorstellung auf einmal Angst. Vielleicht auch wegen Gogo und seiner plötzlichen Rückverwandlung in einen bärbeißigen, einschüchternden Fremden. Mit wenig Selbstvertrauen begab sie sich in die kleine Kabine, die im Schiffsheck für sie eingerichtet worden war. Ihre Damen erwarteten sie, offensichtlich hatte sich die bevorstehende Ankunft herumgesprochen.
„Nur Mut“, zwitscherte die unverwüstliche Sidonia. „Mit deiner Schönheit wirst du sie alle blenden. Was willst du anziehen?“ Ungefragt hatte sie eine Kleidertruhe geöffnet und Gewänder herausgesucht, die über Bett und Schemel einen schimmernden Regenbogen warfen. Eigentlich hätte Brunichild sie rügen müssen. „O, entschuldige“, Sidonia schlug die Hand vor den Mund, „ich hätte auf deine Anweisung warten müssen, nicht wahr?“
Inzwischen hatte Brunichild die muntere Sidonia recht gern, deshalb verzichtete sie auf einen Tadel. Seufzend schob sie ein gelbes Seidenkleid mit eingestickten nachtblauen Ornamenten von einem Hocker und setzte sich.
„Ich weiß nicht, was ich anziehen soll. Eigentlich ist es mir gleich.“
„Das sollte es aber nicht“, warf Aletha ein und hob die Schultern, um anzudeuten, dass sie für Sidonias voreiliges Verhalten nicht verantwortlich war.
„Nimm dies hier“, mischte sich Sidonia wieder ein, „oder das hier.“ Sie hob zwei hauchzarte, mit Perlen besetzte Kleider in schillernden Farben auf. „Beide sind wunderschön“, setzte sie ehrfürchtig hinzu.
„Hör nicht auf sie“, warf Nanthild steif ein. „Darf ich dich diesmal beraten?“, fügte sie hölzern hinzu.
„Bitte, nur zu.“ Brunichild hob auffordernd die Hand, war aber sicher, dass bei den Vorschlägen der Älteren nichts Brauchbares herauskam.
Nanthild klappte die zweite Truhe auf und kramte vorsichtig darin herum. Sie schien den Inhalt recht genau zu kennen, und das verriet Brunichild, dass hinter ihrem Rücken
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