Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
oder haben sie dich weggejagt?“
Da Letzteres Wittiges eigener Einschätzung sehr nahekam, reagierte er höchst empfindlich. Unbedacht legte er die Hand an den Schwertgriff.
„Sag das noch einmal, und ich hau dir eins aufs Maul.“ Auch der andere war beritten und bewaffnet. Beinahe gleichzeitig schwangen sie sich vom Pferd.
„Also muss doch was dran sein. Du bist ein Unruhestifter, hab ich mir immer schon gedacht. Aber lass jetzt gut sein“, wandte Rado unbehaglich ein, zog aber blitzschnell seine Waffe, als er begriff, dass Wittiges ihm damit schon zuvor gekommen war.
Eine furchtbare Wut brach sich in Wittiges Bahn. Der ganze angestaute Ärger, seine innere Verletztheit, all das stachelte ihn maßlos auf, er war nicht mehr aufzuhalten. Rado rief noch einmal etwas zur Beschwichtigung, aber Wittiges holte bereits aus. Er wollte kämpfen. Krachend schlugen die Schwerter aufeinander. Aufgeschreckt kamen die Torwächter herbeigerannt, griffen aber nicht ein. Wittiges kämpfte eher mit Kraft und Zorn als mit Geschicklichkeit, schließlich hatte er kaum Erfahrung im Umgang mit dieser Waffe. Vielleicht war auch der Stallmeister nicht der größte Kämpe, aber zweifellos der bessere. Ehe sich Wittiges versah, wurde ihm das Schwert mit einem wuchtigen Hieb aus der Hand geschlagen. Als er sich danach bücken wollte, setzte einer der Wächter den Fuß darauf. Gleichzeitig trat Rado Wittiges vors Schienbein und setzte ihm kopfschüttelnd die Klinge an die Kehle.
Wittiges bemerkte, dass sich der Zuschauerkreis vergrößert hatte. Außer den Wachen hatten sich noch drei prächtig gekleidete Reiter eingefunden.
„Seid ihr fertig? Dann macht den Weg frei“, schnaubte einer der Reiter verächtlich.
Hastig senkte Rado sein Schwert und verneigte sich tief, ebenso die Wachen. Nur Wittiges hielt sich tölpelhaft aufrecht, bis ihn Rado in die Ferse trat. Als der Reitertrupp durchs Tor geritten war, fragte er: „Wer war das?“
„Verrate du mir lieber, was dich hierher zurückgebracht hat“, fuhr ihn Rado an, „und warum du mich angegriffen hast. Was ist in dich gefahren?“
Abwehrend hob Wittiges die Hände, als Rado erneut das Schwert gegen ihn richtete.
„Tut mir ehrlich leid, ich weiß auch nicht, was über mich gekommen ist. Aber du hast den Streit angefangen, das wollen wir doch einmal klarstellen.“
Rado grinste versöhnlich und steckte sein Schwert endlich weg. „Tja, ich bin wohl auch nicht in bester Stimmung. Heute morgen ist mir ein Ross verreckt, und ich hab mir deswegen einiges anhören müssen. Ich hab noch an dich gedacht und wie ich dich hier gebraucht hätte. Tut mir jetzt auch leid, die Bemerkung vorhin. War nicht nett. Ich hab mich geärgert, dass du hier alles stehen und liegen gelassen hast. Also, was treibt dich jetzt zurück?“
„Ich komme als Prinzessin Brunichilds Bote.“
„Und das sagst du jetzt erst? Was bist du bloß für ein Hanswurst!“ Rado stieß Wittiges unsanft, wenn auch lachend in die Rippen. „Dann geh, liefere deine Botschaft ab und komm danach zu mir. Auf dieses Wiedersehen müssen wir einen trinken, und du erzählst mir, was dich in einen solchen Kampfhahn verwandelt hat.“
Beschämt willigte Wittiges ein, und Rado bedachte ihn mit einem weiteren kräftigen Rippenstoß.
„Du musst bei den Franken einiges mitgemacht haben. Sie sind Barbaren, das hätte ich dir gleich sagen können. Ich werde außer Wein auch etwas zu essen für dich besorgen. Hoffentlich fährst du mir nicht gleich wieder an die Gurgel, wenn ich sage, dass du schon wohler ausgesehen hast. Haben sie dich hungern lassen?“ Auf einen Wink des Stallmeisters hin gab einer der Wächter Wittiges das Schwert zurück.
Mit einem schwachen Grinsen schüttelte Wittiges den Kopf. „Das sind nur die Nachwehen der Seekrankheit. Kümmerst du dich um Bauto?“
„Aber gern!“ Rado strahlte. „Ich hab ein paar rossige Stuten, mit denen kann er sich prächtig vergnügen.“
„Dann vergiss diesmal nicht, mir das versprochene Entgeld fürs Decken zu bezahlen.“
„Was ist nur für eine Krämerseele aus dir geworden!“ Seufzend nahm Rado Bauto am Zügel.
Auf dem Weg zum Hauptgebäude des Palastes stellte Wittiges fest, dass die furchtbare Wut, die die ganze Zeit an ihm genagt hatte, weitgehend verflogen war. Übrig geblieben war nur Erschöpfung.
Durch eine ganze Reihe von Vorzimmern hindurch musste er erklären, dass er eine Botschaft für den König zu überbringen habe. Endlich wurde er in einen
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