Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Brunichild aus ihrer Verzückung. Eine schmale Hand legte sich auf die Schulter des Mannes und blieb dort liegen. „Würdest du mir gestatten, unsere Schwägerin zu begrüßen?“
Benommen hob Brunichild den Blick. Während sich ihr Herz in einem plötzlichen schmerzhaften Galopp zusammenzog, spürte sie eine verräterische Hitze in die Wangen aufsteigen. Eine furchtbare Erkenntnis drängte sich auf, ihr Mund wurde trocken. Sie hatte sich getäuscht. Der beeindruckende Mann, der sie immer noch umfasst hielt, war nicht Sigibert, sondern einer von Guntrams anderen Brüdern. Aber hatte Guntram nicht gerade von Sigibert gesprochen?
Vorsichtig machte sie sich los, wich zurück und wandte sich ratlos um. Guntram betrachtete sie weiterhin mit uneingeschränktem Wohlwollen, die jungen Mädchen tuschelten und kicherten miteinander, der Jüngling wirkte immer noch gelangweilt. Nur ein paar alte Tanten spähten misstrauisch, und Marcatrud wirkte leicht irritiert.
Aber da war ja noch die Frau, die den Mann nun beiseite treten hieß.
Er gehorchte. „Audovera, darf ich dir die Braut vorstellen? Hat mein Bruder Sigibert nicht großes Glück?“, fragte er und wandte sich mit einem versonnenen Lächeln an Brunichild. „Und darf ich dich mit meiner liebenswerten und verehrungswürdigen Gattin Audovera bekannt machen?“
Die Frau legte eine kühle, aber untadelige Höflichkeit an den Tag, als sie mit Brunichild die üblichen Wagenküsse tauschte, keine echte Berührung, nur ein Hauchen. Audoveras Augen blieben seltsam leblos, fern und undurchdringlich. Ein kleiner Schauder befiel Brunichild, für den sie dankbar war. Er half ihr, die Form zu wahren und ihrerseits gesetzt und förmlich einige Sätze an die kalte Dame vor ihr zu richten, während im Hintergrund ein Gedankenkrieg tobte, ein nicht enden wollendes Aufbegehren und das Gefühl, vom Schicksal schmählich verraten worden zu sein.
Chilperich wäre der richtige Mann für sie gewesen.
„Was wolltest du gerade über Sigibert sagen?“, wandte sie sich an Guntram.
„Wollte ich etwas über ihn sagen?“ Guntram sah sie verdutzt an. „Ach ja. Leider kann er nicht kommen, er lässt sich entschuldigen. Du wirst ihn erst in Metz treffen.“
8
Wittiges hatte die drei Tage auf See mit Übelkeit und düsteren Gedanken verbracht, die sich wie ein Mühlrad in seinem Kopf drehten. Während das Schiff mit einer schweren See kämpfte und in den mächtigen Wellen auf und ab hüpfte, kam er immer wieder auf Brunichild und Alexander zurück. Beiden war er in höchstem Maße gram. Alles Gute, das er ihnen hatte angedeihen lassen, war ihm schändlich vergolten worden. Mehrmals nahm er einen Anlauf, Brunichilds Brief ins Meer zu werfen. Dann erwog er, das Siegel zu erbrechen und das Sendschreiben zu lesen. Beides erschien ihm am Ende feige oder zumindest unfein. Brunichild hatte ihn zum Boten bestellt, also war er ihr Bote. Außerdem hatte sie ihn nicht einfach abgeschoben, sondern mit einem fürstlichen Reisegeld ausgestattet. Aber damit hatte sie nur seine Ergebenheit kaufen wollen, denn dreißig Solidi waren zur Begleichung der Reisekosten viel zu viel. Noch dazu war die Überfahrt im Voraus bezahlt worden, dafür musste er gar nicht aufkommen.
Die bitteren Gefühle wollten nicht weichen und wurden von der Seekrankheit noch gleichsam angefeuert. Elend an Geist und Körper betrat er wieder festen Boden und machte sich auf, nach Toledo zurückzureisen. Obwohl er stets darauf bedacht war, Bauto nicht zu überfordern, schaffte er die Strecke in recht kurzer Zeit. Bei einer letzten Rast holte er das Schriftstück hervor, betrachtete es wieder einmal unschlüssig, warf es in die Luft, fing es aber so ungeschickt auf, dass es ihm aus der Hand glitt und zu Boden fiel. Als er es aufhob, stellte er fest, dass sich auf dem Pergament ein bisschen rote Erde festgesetzt hatte. Er wischte sie ab, aber ein Fleck blieb. Jetzt war das Schreiben nicht mehr einwandfrei. Die Versuchung wurde beinahe übermächtig. Und dennoch brachte er es nicht über sich, das Siegel anzutasten. Sein dummer Stolz hielt ihn davon ab. Oder die Vorsicht. Denn wie hätte er ein gebrochenes Siegel erklären sollen, ohne sich verdächtig zu machen?
Am Tor in den Palastbezirk begegnete ihm ausgerechnet der Stallmeister Rado, der ihn als rechte Hand für die fränkischen Pferde eingestellt hatte.
Spöttisch verzog der Mann den Mund. „Schau an, der verlorene Sohn kehrt heim. Hat es dir bei den Franken nicht mehr gefallen,
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