Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
großen Raum geführt, in dem sich drei Männer aufhielten, die offenbar in ein vertrauliches Gespräch vertieft waren. Ein Diener kündigte Wittiges an. Zu spät erkannte er die vornehmen Reiter, die seinen Kampf mit dem Stallmeister beobachtet hatten.
„Was willst du?“, fragte der Älteste der drei.
„Eine Botschaft für den König überbringen. Ihm persönlich.“
Der Mann kam näher. „Was für eine Botschaft?“
„Wie gesagt, ich soll sie ...“
Mit einer herrischen Handbewegung schnitt ihm der Mann das Wort ab. „Der König ist nicht hier. Ich bin Leovigild, der Bruder des Königs. Ich vertrete ihn. Also, was ist das für eine Botschaft?“
„Ein Brief von Prinzessin Brunichild an ihren Vater.“ Wittiges holte die Schriftrolle heraus und zauderte unmerklich. Er hätte sie doch lesen sollen. Es hätte sicher eine Möglichkeit gegeben, das Siegel wieder instand zu setzen oder zu fälschen. Seine Gedanken verhakten sich schon wieder. Leovigild musste sehr viel jünger als sein Bruder sein. Nicht älter als vierzig. Vielleicht der Sohn einer Nebenfrau. Er nahm den Brief an sich und erbrach das Siegel. Gebannt verfolgte Wittiges, wie er murmelnd las, leider zu leise, als dass er etwas verstand. Leovigilds Lippen kräuselten sich. Anscheinend keine gute Nachricht, so viel war sicher.
„Was schreibt sie?“, rief einer der anderen beiden Männer.
„Hör dir das an, Liuva“, entgegnete Leovigild erregt, den Blick noch immer auf das Schreiben gerichtet. „Man will sie zwingen, zum römischen Glauben überzutreten. Was fällt diesen Franken ein?“
Liuva war Athanagilds jüngster Bruder. Wittiges entsann sich, den Namen schon einmal gehört zu haben. Die beiden schienen die Geschäfte des Königs in dessen Abwesenheit zu führen. Der dritte Mann mochte einer von Athanagilds Söhnen sein und war in Wittiges’ Alter. Nur, wo war der König? Immer stärkere Unruhe befiel ihn. Er hätte darauf bestehen sollen, den Brief nur dem König auszuhändigen.
„Sie wollen sie ganz, mit Haut und Haaren“, murmelte Liuva und grinste dümmlich.
„Reiß dich zusammen! Um Haut und Haare geht es weiß Gott nicht. Sondern um die Einhaltung von Verträgen. Von einem Übertritt zur römischen Kirche war nie die Rede. Das kommt gar nicht in Frage. Ich werde ihr dementsprechend antworten.“
Liuva stand auf. Er war schlanker und größer als Leovigild. „Du misst der Sache zuviel Gewicht bei, Bruderherz“, sagte er säuerlich. „Ich wusste gar nicht, dass du so ein glühender Verfechter der arianischen Kirche bist. Ich rate dir, Brunichild keine eindeutige Antwort zu geben.“
Leovigild war der Zorn anzumerken, er beherrschte sich nur mühsam. „Ich bin ein glühender Verfechter unseres Königshauses. Und solange wir an unserem Glauben festhalten, folgen uns unsere Leute. Es geht um Eindeutigkeit und Treue. Dass die Franken Druck auf Brunichild ausüben, ist ein Hinweis darauf, wie sie es grundsätzlich mit Verträgen halten. Das macht mich wütend.“
Wittiges hatte sich in den Schatten einer Säule zurückgezogen. Es gab davon vier im Saal, die nächste in Türrichtung stand etwa drei Meter entfernt. Unauffällig bewegte er sich darauf zu. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ihn die Brüder bei ihren Diskussionen als Zeugen dabeihaben wollten.
„Lass uns später darüber reden. Was steht sonst noch in dem Brief?“, erkundigte sich Liuva.
Wieder las Leovigild murmelnd. „Grüße an Goiswintha, eine Frage nach Gailswinthas Wohlergehen, alles unwichtig ...“ Auf einmal stockte er.
Für Wittiges war die Luft im Raum plötzlich mit Spannung erfüllt. Schon bevor Leovigild den Kopf hob, hatte er das Gefühl, dass er nun wirklich verschwinden sollte, denn die Miene des Prinzen verhieß nichts Gutes. Und bevor dieser auch nur ein Wort sagte, ahnte Wittiges, dass es ihn betreffen würde.
„Du da, bleib hier!“
Wittiges stellte sich taub. Er verstieß gegen alle Regeln im Umgang mit Angehörigen des Königshauses und legte das letzte Stück bis zur Tür unbeirrt zurück, zur Vorsicht aber so, dass die Säule in ihrer Nähe seinen Abgang deckte. Es gelang ihm tatsächlich, den Palast zu verlassen ohne aufgehalten zu werden.
Kaum hatte er sich in einen der Höfe zurückgezogen, beschlichen ihn heftige Zweifel. Vielleicht hätte er doch nicht wegrennen sollen. Möglicherweise hatte Leovigild ihn als Boten für eine Antwort an Brunichild verpflichten wollen. Wütend auf sich selbst, überlegte er, wie er
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