Der Geliebte
es. Mit einem Pfannenwender zerteilte ich die Kartoffeln in kleine Stücke, wartete kurz, bis die Unterseite goldgelb war, und wendete die Masse dann.
Dass ich von dem vielen Essen noch nicht dick und fett geworden war, grenzte an ein Wunder.
In einer der niederländischen Zeitschriften, die Erica bei mir liegen gelassen hatte, stand eine Titelstory über französische Frauen. Dass sie so schlank blieben, obwohl sie doch jeden Tag zwei üppige warme Mahlzeiten zu sich nahmen und quasi täglich Wein tranken, lag der Verfasserin zufolge eindeutig an der Kochkultur. Den Franzosen komme es auf ein paar Euro mehr oder weniger nicht an, wenn es um gute Zutaten geht: einfache Nahrung, deren Herkunft bekannt und vertraut sei. Außerdem nehme man sich Zeit dafür, das Essen zuzubereiten und vor allem die Mahlzeiten auch zu genießen. Jeden Tag aufs Neue.
Traditionellerweise war das ja vielleicht so, aber wenn ich mich umsah, hatte ich doch das Gefühl, dass eine ganze Menge Frauen nicht mehr in dieses romantisierte Bild passten. Die vielen verlockenden Knabbereien und Süßigkeiten, die immer größere Strecken der Supermarktregale füllten, waren der Zeitschrift ebenfalls entgangen. Auch im tiefen Süden Frankreichs gewann Haribo zunehmend an Terrain. Die deutschen Süßigkeiten waren längst ein fester Bestandteil von Geburtstagsfeiern und langen Autofahrten geworden.
Mit den wohlbekannten Folgen.
Ich schrak aus meinen Gedanken auf. Bleu, der in der Diele vor sich hin gedöst hatte, war aufgesprungen und lief schwanzwedelnd auf Peter zu, der gerade hereingekommen war. Beiläufig strich er dem Hund über den Rücken. Dann ging er weiter Richtung Küche.
Mein Herz setzte für einen Schlag aus. Zwanghaft fing ich an, allerlei unsinnige Handlungen zu verrichten, um den Augenblick der Begrüßung hinauszuzögern. Ich wandte ihm den Rücken zu, um mir unter dem Wasserhahn die Hände abzuspülen und sie an einem Geschirrtuch abzutrocknen. Heimlich hoffte ich, dass er dieses Signal verstünde und nach oben weitergehen würde.
Fehlanzeige. In meinem Rücken hörte ich den Schotter unter seinen Füßen knirschen. Ich drehte mich um. Ihm in die Augen zu sehen fiel mir immer noch schwer, ich schaute ein wenig an ihm vorbei. Er gab mir drei Begrüßungsküsse, und zwar ziemlich nachdrückliche, wobei er mich an den Oberarmen festhielt, sodass ich mich kaum bewegen konnte. Diese aufdringliche, herrische Art der Begrüßung war nicht untypisch für ihn. Hier in dem begrenzten Raum der Küche, ohne Eric und die Jungs, aber auch angesichts der unterschwelligen Spannung, die ohnehin schon zwischen uns herrschte, kam es mir fast wie eine Vergewaltigung vor. Als er mich losließ, wich ich sogleich zurück. Daraufhin sah er mich lange an, als wollte er jeden Augenblick etwas sagen. Dann aber drehte er sich bloß zu den Töpfen um und hob einen der Deckel hoch. »Sieht gut aus. Ich esse mit.«
Damit verschwand er Richtung Diele. Verwirrt blieb ich zurück.
Beim Essen schien zunächst alles wie immer. Sechs Personen, die eine leckere Mahlzeit vor sich auf dem Tisch stehen hatten und sich ein bisschen unterhielten.
Ich wusste es besser.
Peter hatte mich eine ganze Stunde lang keines Blickes gewürdigt. Mit allen anderen am Tisch hatte er sich unterhalten, nur mit mir nicht. Meine eigenen halbherzigen Versuche, mit ihm ins Gespräch zu kommen, waren komplett an ihm abgeprallt. Ich begann mit dem Abräumen des Geschirrs.
Als ich mit einer vollen Kanne Kaffee aus der Küche zurückkam, war gerade ein neues Thema angeschnitten worden. Die in schnellem Französisch geführte Konversation drehte sich um Frauen. Wenn ich richtig verstand, ging es gerade darum, dass französische Männer eine Vorliebe für ausländische Frauen hatten. Was französischen Frauen nach vorherrschender Meinung fehlte, wurde mir nicht deutlich. Hier wurde einfach zu schnell gesprochen, und dann auch noch in argot , französischer Umgangssprache.
Ich rührte mit dem kleinen Löffel in meinem Kaffee. So wie ich mich im Moment fühlte, hätte ich eigentlich besser Tee getrunken. Das hätte zumindest einen beruhigenden Effekt gehabt. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass es fast schon wieder halb zwei war. Gleich würden die Jungs sich wieder an die Arbeit machen. Noch eine halbe, höchstens eine Dreiviertelstunde, dann wäre Peter Vandamme wieder für eine Woche von der Bildfläche verschwunden.
Plötzlich sah er mir direkt ins Gesicht. Er wechselte ins
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