Der Geliebte
wahrlich nicht traurig zu sein, dass ihr diese Affenhitze verpasst habt. Es gab Leute, die in die Niederlande zurückgefahren sind, weil sie es hier nicht mehr aushielten. Übrigens war auch alles voller Mücken.«
Aus dem Nebenzimmer drang lautes Gelächter von Isabelle und Bastian. Es war unmöglich zu überhören. Sie kugelten sich mit Thomas und Max über den Fußboden, sahen nebenbei ein bisschen fern und nahmen sich dazu Surimi-Stücke oder Baguette mit Käse vom Couchtisch. Der Fernseher war ziemlich laut. Betty hatte sie schon ein paar Mal ermahnt, ihn leiser zu stellen.
»Noch ein bisschen Bordeaux?«, fragte Theo. Ohne die Antwort abzuwarten, schenkte er alle Gläser wieder dreiviertelvoll.
Ich setzte das Glas an die Lippen und nahm zwei kräftige Schlucke Wein, wohl wissend, dass ich allmählich in die Gefahrenzone geriet.
Theo legte Messer und Gabel auf dem Teller ab und steckte sich eine Zigarette an.
Betty fing an abzuräumen, und ich stand auf, um ihr zu helfen. Ich spürte den Alkohol in den Beinen. Sie winkte auf der Stelle ab: »Nein, bleib du mal schön sitzen. Lasst euch heute ruhig verwöhnen, ihr habt es momentan schon schwer genug.«
Eric hielt mir ein Stück Baguette mit Tapenade hin.
»Wann willst du eigentlich eröffnen?«, fragte Betty. Sie legte mir freundschaftlich die Hand auf die Schulter.
»Eröffnen?«
»Die chambres d’hôtes .«
»Sobald es geht. Nach Möglichkeit im Frühling. Von den Gästezimmern sind drei schon fertig, dort schlafen wir im Moment noch. Und das Bad ist auch in Arbeit.«
»Nur ein einziges Bad?«
»Äh … vorläufig schon, fürchte ich.«
»Das kannst du aber nicht machen. Die Leute wollen ihr eigenes Bad. Hast du das nicht eingeplant?«
Unwillkürlich musste ich an Michel denken, an sein mit acht anderen Personen geteiltes Badezimmer. Die schmutzige Wäsche auf dem Boden, die lange Reihe von Zahnputzbechern mit Zahnbürsten. Die braunen Flecken von auf dem Rand des Waschbeckens ausgedrückten Zigaretten. Ich trank noch einen Schluck Wein.
Eric mischte sich ein: »Wir wollen später noch kleine Waschecken einbauen, mit Toilette, Dusche und Becken. Die Trennwände sind schon da, und die Leitungen haben wir auch verlegt. Nur anschließen müssen wir das Zeug noch.«
Das schien sie zu beruhigen.
Den ganzen Abend war mit keinem Wort über Peter gesprochen worden, obwohl mich gerade das brennend interessiert hätte. Schließlich kannten die beiden ihn besser als wir, oder zumindest länger. Ich beschloss, selbst die Sprache auf ihn zu bringen.
»Wie habt ihr eigentlich Peter kennengelernt?«, fragte ich Theo.
»Im Baumarkt. Ich brauchte Beize, aber die Töpfe sahen alle gleich aus. Er hat mich angesprochen, weil er mich da herumirren sah, und so kamen wir ins Gespräch. Zwei Wochen später war er hier schon mit gut und gerne sieben Mann zugange. Peter ist etwas ganz Besonderes, ich weiß nicht, wie ich hier ohne ihn zu Rande gekommen wäre. Aber er ist auch ein komischer Kauz. Eigentlich ein umgänglicher Kerl, aber einer mit zwei Gesichtern, wie ich irgendwann mitbekommen habe. Der hat auch noch ganz andere Sachen drauf.«
»Muss er wohl«, rief Betty von der Spüle herüber. Sie hatte angefangen, das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. »Eine Firma, bei der vierzig Leute arbeiten, baut man eben nicht nur mit Nettigkeit auf.«
»Ich mag ihn«, sagte Eric. »Mir gefällt seine Art. Nicht rumnölen, sondern anpacken.«
»Was meinst du mit den zwei Gesichtern?«, fragte ich.
Theo winkte ab. »Ach, nichts weiter.«
»Obwohl, Theo«, sagte Betty, als sie sich wieder neben mich setzte, »das ist nur die halbe Wahrheit. Es gab schon ein paar Reibereien.«
»Inwiefern?«
»Es ist …« Theo warf ihr über den Tisch hinweg einen mahnenden Blick zu. »Na ja, eigentlich sollte man so nicht über ihn reden. Er hat eine Menge Gutes getan, und das tut er auch immer noch. Aber … wusstet ihr, dass die Jungs, die für ihn arbeiten, allesamt irgendwelche Vorstrafen haben?«
Ich stieß den Wein um. Sofort durchtränkte der rote Bordeaux die elfenbeinfarbene Damast-Tischdecke. Bestimmt ein Viertel des wertvollen Stoffes färbte sich sofort violett. Die Flüssigkeit tropfte auf den Küchenboden.
»Oh verdammt, Entschuldigung!«, rief ich und sprang auf. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, hielt ich mich an der Rückenlehne des Stuhls fest. Der Stuhl geriet ins Wanken, fiel aber nicht um. Betty stürzte zur Spüle, um ein Geschirrtuch zu
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