Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Niederländische. »Es ist das am besten gehütete Geheimnis ganz Frankreichs: Die meisten Französinnen haben es faustdick hinter den Ohren. Nach außen hin schön sittsam und anständig, gute Mütter und treue Ehegattinnen. Aber oh weh …«
    Fassungslos sah ich ihn an. Meine Hand mit dem Löffel blieb wie erstarrt in der Luft hängen.
    Er lächelte zynisch. »Wusstest du, dass die meisten einen heimlichen Liebhaber haben? Manchmal sogar mehr als einen. Vor allem hier, à la campagne , haben die Damen bisweilen richtig zu tun.«
    Ich versuchte, Ruhe zu bewahren, so gelassen wie möglich zu bleiben, was mir nicht besonders gut gelang. Zwischendurch schaute ich verstohlen zu Eric hinüber, der interessiert zuhörte.
    »Du lebst dich hier auch allmählich ein, Simone, stimmt’s?«, fuhr Peter fort. » Presque française … « Er warf mir einen triumphierenden Blick zu und nahm einen Schluck Kaffee.
    Das Herz schlug mir bis zum Hals, ich wurde rot.
    »Das stimmt«, pflichtete Eric ihm bei. »Du hast dich schon ziemlich gut eingewöhnt. Mit dem Kochen und so. Früher hast du nie so aufwändig gekocht. In dieser Hinsicht hat die neue Umgebung dir ziemlich gutgetan.«
    Peters Unterton war Eric offenbar völlig entgangen - unbegreiflicherweise, denn er war kaum zu überhören gewesen. Und nicht nur das, sondern die Schuld stand mir vermutlich auch überdeutlich ins Gesicht geschrieben, ein großes »Schuldig« mit fetten Ausrufezeichen. Mir stockte der Atem, aber irgendetwas musste ich entgegnen. Ich schaute in die Runde und hatte das Gefühl, dass alle mich anstarrten. Panik machte sich in mir breit.
    Ich riss mich zusammen, so gut ich konnte, und rang mir ein Lächeln ab. »Ich hätte tatsächlich nie gedacht, dass mir das Kochen so viel Spaß machen würde …«
    Hoffentlich reichte das, hoffentlich.
    Peter beobachtete mich, starrte mich mit seinen braunen Augen an, als wollte er mich sezieren.
    Ich hielt mich damit auf, mir imaginäre Fussel von der Jeans zu zupfen, an dem Stoff herumzukratzen, nur um nicht aufblicken zu müssen.
    »Das muss fantastisch sein«, hörte ich Peter sagen, »einfach tun zu können, wozu man Lust hat.«
    Er soll aufhören, er soll jetzt endlich aufhören.
    »Kann ich noch etwas Kaffee bekommen?«
    Die Stimme von Pierre-Antoine, dem jungen Typen, der ein bisschen aussah, als ob er aus Spanien käme.
    Ich stand auf und schenkte ihm Kaffee ein. Um ein Haar wäre es daneben gegangen, ich zitterte immer noch. Mechanisch schenkte ich auch den anderen noch einmal nach, auch Peter, was dieser für meinen letzten, verzweifelten Versuch halten musste, den Anschein von Normalität zu wahren.
    Es wurde nicht mehr viel gesprochen, das Schweigen schnürte mir die Kehle zu. Eine halbe oder Dreiviertelstunde kam mir auf einmal vor wie eine Ewigkeit. Das würde ich nicht durchhalten.
    »Würdet ihr mich entschuldigen?« Ich schob meinen Stuhl zurück. »Ich muss dringend noch was erledigen.«
    Ein kühler Wind, der einen leichten Sprühregen mit sich brachte, schlug mir ins Gesicht, als ich den Hügel zu dem kleinen See hinunterging. Kratzige Grashalme scheuerten an meiner Hose, die langsam, aber sicher immer nasser wurde und schließlich völlig durchgeweicht war. Der Regen wurde stärker, doch mochte es auch gewittern, blitzen, stürmen und hageln, ich wollte nicht zum Haus zurückkehren, bevor ich Peters Landrover nicht hatte wegfahren hören.
    Bei dem kleinen See setzte ich mich ins nasse Gras und starrte die unzähligen, ineinander übergehenden Ringe im Wasser an, die nach und nach immer mehr wurden.
    Ich schlang die Arme um die Knie. Meine innere Unruhe ließ einfach nicht nach, das Herz schlug mir noch immer bis zum Hals. Ich wäre fast zusammengebrochen, so frustriert und ohnmächtig fühlte ich mich.
    Und ich hatte Angst. Furchtbare Angst.
    Die ganze Situation lief völlig aus dem Ruder.
     

24
     
    Theo und Betty kamen aus Utrecht, wo sie mitten im Zentrum an einer Gracht gewohnt hatten, über ihrem eigenen Restaurant. Das hatten sie verkauft, um hier mit chambres d’hôtes anzufangen. Die beiden waren ein sonderbares Paar. Er war groß und breitschultrig, hatte buschige Brauen und machte einen etwas wüsten Eindruck, obwohl er sehr freundlich und umgänglich war. Sie hingegen wirkte grazil und war gute dreißig Zentimeter kleiner als ihr Mann. Dünnes, halblanges braunes Haar und feine Brauen, die aussahen wie tätowiert. Am meisten fiel ihre Brille auf, wegen des auffälligen blauen

Weitere Kostenlose Bücher