Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
vorbereitet, sodass ich nur noch vom Neger ablesen musste: »Was machen Sie beruflich, was machen Sie in Ihrer Freizeit, und wie sieht Ihr Traummann aus?« Alles in allem: eine unglaubliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sowohl zeitlich als auch inhaltlich! Man merkte, hier in der Redaktion hatte sich während meiner vierwöchigen Abwesenheit echt was getan. Lutz, der nette Sekretär mit der Baskenmütze, überreichte mir gleich am ersten Tag eine riesige Kiste mit Post, und es waren ausnahmslos nette, unverbindliche Autogrammwünsche und Bitten, doch mal in die Sendung eingeladen zu werden.
»Und die Schmähbriefe darfst du mir nicht zeigen?«, fragte ich Lutz.
»Welche Schmähbriefe?«, fragte er scheinheilig zurück.
»Na, so sehr wird sich der Tenor doch in den letzten vier Wochen nicht geändert haben!«
»Vereinzelte Spinner schreiben immer noch«, sagte Lutz. »Aber mach dir keine Gedanken. Alles im grünen Bereich.«
»Seit der Versteckten-Kamera-Geschichte mit Karl Lagerfeld haben wir eine glatte Million mehr Zuschauer!«, jubelte Oda-Gesine.
»Wieso? Der war doch gar nicht dabei!«
Unglaublich, wie manche Leute sich mühen und quälen für ein einziges Prozent Einschaltquote, während so Leute wie Karl Lagerfeld überhaupt nicht erscheinen müssen, um schon eine Million mehr zu haben!
»Eine glatte Million!«, schwärmte Oda-Gesine weiter. »Und zwar hauptsächlich in deinen Krisengebieten. Also in Mecklenburg-Vorpommern und in Bayern. Sensationell! Der Marktanteil liegt jetzt bei neunzehn Prozent! Die Zwanzig knacken wir noch vor Weihnachten!«
Am allergrößten war natürlich der Jubel über meine neue Figur. Ich hatte tatsächlich seit der ersten Sendung dreizehn Kilo abgenommen, und das bedeutete für den armen gestressten Frank, dass er alle Kostüme für die noch zu drehenden Anschlüsse zwei Nummern kleiner machen musste. Er und sein Kollege Hubert nähten und steckten und riefen mich immerfort zur Anprobe und schüttelten die Köpfe, so wie Herr Bönninghausen sonst immer den Kopf geschüttelt hatte.
Aber sie erwogen nun völlick angesagte und trendy Klamotten: Für die ersten vier Aufzeichnungen der dritten Sendestaffel waren endlich nabelfreie Tops vorgesehen!
Sascha in der Maske hatte völlick neue trendy Farbnuancen von Dior gekauft, für viele tausend Mark. Nun würde mich niemand mehr »pflaumenbäckig« nennen! Er konnte jetzt endlich hingehen und meine Wangenknochen mit seinem Lieblingsrouge betupfen. Und das mit der Nackenwelle nach innen, das war er auch bereit zu ändern, nachdem Oda-Gesine ihm mit Kündigung gedroht hatte. Ab sofort verbrachte er vor jeder Aufzeichnung eine geschlagene Stunde damit, mir die Nackenhaare nach außen zu drehen! Völlick trendy und girliemäßick! Wenn das keine überzeugende Änderung von »Wört-Flört« war!
Aber die beste Neuerung war diese: Emil, Paulinchen und ich bewohnten ab sofort die riesige, elegante, hochherrschaftliche Suite im Bayrischen Hof, in der ich in meiner allerersten Nacht geschlafen hatte. Es waren, genauer gesagt, vier Zimmer mit Verbindungstür! In allen vier Zimmern standen eine Schale mit frischem Obst und ein Kübel mit eiskaltem Champagner.
»Oh«, entfuhr es mir, »das wäre aber doch nicht nötig gewesen!« So viele Zimmer brauchten wir nun auch wieder nicht. Aber wer konnte das ahnen? Oda-Gesine jedenfalls nicht. Sie hatte sich alle erdenkliche Mühe gegeben, ihre Moderatorin nach dem wochenlangen Fasten und Darben wieder in bessere Laune zu versetzen. Ich nahm die Geste der Entschuldigung großzügig an.
Es machte unglaublichen Spaß, in diesem phantastischen Hotel zu wohnen. Allein schon die liebenswürdigen Herrschaften an der Rezeption. Wie die strahlten, wenn die mich sahen. Als wäre ich eine liebe alte Verwandte. Frau Stein, ist alles recht? O ja, ihr goldigen Menschen, ihr! ES IST ALLES RECHT!!!
Außer unseren zwei riesigen Schlafzimmern mit je einem großen französischen Bett gab es noch ein Kinderzimmer für Paulinchen und einen Konferenzraum für Emil und mich. Er hatte einen großen Tisch mit sechs Stühlen, eine separate Sitzecke mit Sesseln und Sofas, eine Kochnische und alles, was ein Herz begehrte. Allein dieser Raum war so groß, dass unsere sechsköpfige Familie bequem darin hätte übernachten können. Jedes Zimmer hatte einen Fernseher, eine Minibar, ein Fax-Gerät, ein Bad mit allen Schikanen. Es gab drei separate WC, und in jedem WC war ein Bidet, und zwischen Toilette und Bidet hing
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