Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
sind nach wie vor keine Grenzen gesetzt!«
»Die Tendenz führt doch eindeutig nach oben!« Inzwischen war ich schon selbst dazu übergegangen, jeden Samstagmorgen die Quoten abzufragen. Meistens blieb mir dabei das Frühstücksei im Halse stecken vor Stress.
»Trotzdem, gleich zu Beginn des neuen Jahres wirst du wieder eine Million weniger Zuschauer haben.«
»Was? Was habe ich jetzt wieder falsch gemacht?«
Oda-Gesine griff betrübt nach einem Nougatriegel. »Alle Zeichen der Zeit sprechen gegen uns.« Und dann führte sie mir voller Trübsal vor Augen, dass ausgerechnet ab dem 2. Januar auf dem Konkurrenzsender um dieselbe Zeit »Der Schiffsarzt« kam. Das war Oda-Gesine ein unglaublicher Dorn im Auge. »Dieser Schauspieler, der den Schiffsarzt spielt, der ist dein größter Feind«, sagte sie grimmig.
»Aber warum denn?«
»Na, der oder du!«
»Ach so. Mist. Sieht er besser aus als ich?«
»Tja, Karla, soll ich ehrlich sein …?«
Ich schluckte. Jetzt kam wieder was. »Natürlich.« Ich musste mich räuspern. »Sei ehrlich. Ich kann die Wahrheit aushalten.«
»Tja also, ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll …« Sie stand auf und schloss die Tür zum Vorzimmer. »Muss ja nicht jeder hören, ist ’ne Sache unter uns Frauen.«
Mir wurde ganz heiß. Irgendwas schrecklich Peinliches schwang in der Luft.
»Also, der Frank und der Hubert …«, sie senkte die Stimme und kontrollierte, ob auch die Lautsprecher nicht eingeschaltet waren, »… die finden ja echt toll, wie du jetzt abgenommen hast. Wie viel sind’s noch mal genau?«
»Fünfzehn Kilo.«
»Ja. Großartig. Wirklich, ganz bewundernswert. Ich wollte, mir würde das gelingen. Aber …«, sie räusperte sich noch mal verlegen, »… jetzt hängt der Busen, sagen Frank und Hubert.«
So. Das war’s also. Jetzt war’s raus.
»Ja«, sagte ich. »Dafür gibt’s ja BHs.«
»Siehst du, das isses, was Hubert und Frank so schade finden. Dass du jetzt diese ganzen Spaghettiträgerhemdchen immer noch nicht anziehen kannst.«
»Man muss auch mal Abstriche machen«, sagte ich.
»Ja, wenn es nur der Busen wär …«, lamentierte Oda-Gesine.
»Was hängt denn noch?!« Meine Schultern hingen jetzt. Fast bis zu den Hüften.
»Der Bauch.«
»Aber ich habe gar keinen Bauch mehr!«
»Schlaffe Hautfalten, sagen Hubert und Frank. Du kannst keine nabelfreien Tops anziehen, Schätzchen. Das sieht Scheiße aus.«
»Ich mache Gymnastik. Aber das geht nicht von heute auf morgen weg! Da war viermal ein Kind drin!«
»Die schlaffe Haut bleibt«, stellte Oda-Gesine betrübt fest. »Ich habe mich erkundigt.«
»Bei Hubert und Karl?«
»Nein. Bei dem Chefarzt der plastischen Chirurgie in einer privaten Klinik.«
Ich sank auf einen Stuhl. »Und? Was sagt der?«
»Kann er leicht beheben.«
Beheben, dachte ich, hahaha. Im wahrsten Sinne des Wortes.
»Du willst, du meinst, ich soll …«
»Genau. Spucken wir noch einmal in die Hände. Dann ha’m wir’s hoffentlich geschafft.«
»Nein, Oda-Gesine, alles was recht ist …«
»Nach dieser Sendestaffel schicke ich dich für eine Woche oder so zu diesem plastischen Chirurgen. Der macht mir’n patenten Eindruck.«
»Aber ich kann doch nicht …« Schon wieder eine Woche zu Hause fehlen, wollte ich sagen.
»Über die Kosten mach dir mal keine Sorgen«, unterbrach mich Oda-Gesine. »Das zahlt DER SENDER. Ich hab mich mit dem plastischen Chirurgen auf 10 000 Mark geeinigt, das geht cash über den Tisch, den Rest übernimmt ›Nesti-Schock‹. Verschwiegenheit und Diskretion sind oberstes Gebot. Der hat schon jede Menge Promis geliftet, da ist der ein alter Hase.«
»Aber ich will nicht geliftet werden.«
»Na ja, nicht im Gesicht!«
»Ist der Schiffsarzt auch geliftet?«, fragte ich bitter.
»Quatsch«, sagte Oda-Gesine. »Der ist fünfzig und sieht auch so aus. Bei Männern ist das was anderes.«
»Und wodurch gefällt der dem Publikum?«
»Er ist eine interessante Persönlichkeit! Dieser Schauspieler hat ständig neue Affären«, ereiferte sich Oda-Gesine. »Erst hat er sich von einer Barbie-Puppe scheiden lassen, die daraufhin eine eigene Talkshow bekam, dann hat er eine Schlagersängerin geheiratet, gleichzeitig aber der Serienschauspielerin von ›Wir zwei nebenan‹ ein Kind gemacht, dann hat er sich von einer Soubrette öffentlich ohrfeigen lassen, weil er die Schlagersängerin gegen die Heizung gepfeffert und ihr das Gesicht entstellt hat, daraufhin war er vierzehn Tage im Gefängnis, und
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