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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Geschäftsmänner.
    Irgendwie sahen die alle aus wie Joschka Fischer. Erst so pralle, fette Burschen mit roten Backen, dann eingefallene, graugesichtige, sorgenvoll blickende Mickerlinge. Emil las den Kindern immer so hübsch vor: »Zuletzt wog er ein halbes Lott. Und war am fünften Tage tott.«
    »Du bist gebündelte Nahrung, Freude und Fruchtbarkeit«, murmelte einer, den ich nur mit seinem Kräutertee in der Thermoskanne gesehen hatte. Mei, was musste der auf turkey sein! »Dank, o Apfel, habe Dank!«
    »Versuchung, Schönheit, Vertreibung aus dem Paradies.«
    Unglaublich, was diesen ausgehungerten Spinnern alles einfiel! Die hatten sich wirklich Tag und Nacht mit diesem Thema beschäftigt!
    Annegret feuerte sie an. »Gut! Weiter! Was bedeutet der Apfel euch noch?«
    »Machtsymbol!«, sagte der grobgegerbte Almöhi mit dem karierten Wanderhemd. »Wilhelm Tell und so. Unglaublich geschichtsträchtig!«
    »Streit- und Zankapfel«, sagte die dünne Zwillingsschwester.
    »Apfelkuchen«, sagte die dicke Schwester. »Mit Zimt und Zucker!«
    »Das ist nicht der Sinn unserer Meditation«, zischte die Dünne.
    »Baum der Erkenntnis«, sagte Eine von den dicken Damen.
    »Sehr gut«, lobte Annegret. »Für uns gilt es jetzt, zwei Fragen zu klären: Habe ich nur gefastet, um wieder weiter essen zu können? Im alten Stil? Hm?« Sie blickte prüfend in die Runde.
    »Nein, nein«, sagten die dicken Damen beschämt. Die gegerbten Opas schüttelten entschieden den Kopf.
    »Oder bin ich bereit, der Nahrung einmal ganz neu zu begegnen?«
    »Jajaja«, nickten alle betroffen vor sich hin.
    »Wir werden jetzt diesen Apfel genießen«, sagte Annegret. »Spüren wir ihn mit allen Sinnen! Schmecken wir jedem Bissen aufmerksam und konzentriert nach!«
    Ich schaute mich verunsichert um. Durfte ich nun in diesen Apfel beißen? Oder kam der Ober jetzt und sagte, hahaha, reingefallen, und servierte ihn den Pferden in der Pferdekoppel, der Regen-Schelm?
    Die Anderen waren mit dem Riechen und Beschwören noch nicht fertig.
    »Ihr dürft den Apfel jetzt essen«, offenbarte Annegret.
    »Oh, du Apfel«, murmelte ich, dann biss ich beherzt hinein.
    Es war unglaublich. Die Geschmacksnerven schienen zu explodieren! Außer der südafrikanischen Zahnpasta hatte ich in letzter Zeit nichts Nennenswertes an sie rangelassen! Das war ein Feuerwerk der Sinne auf der Zunge! Was doch so ein Äppelken nach drei Wochen gut schmecken kann, dachte ich. Egal, o Apfel, ob du du bist oder dein Bruder. Diese Erfahrung muss man einfach mal gemacht haben. Zumal das mit den Endorphinen und Glückshormonen seine Richtigkeit hat. Ich bin pausenlos glücklich. Liegt das jetzt an Emil oder am Fasten? Kinder, nein, ich bin weitere sieben Kilo leichter, freier, glücklicher, unbeschwerter und ungemein stolz auf mich! Mehr als über alle Einschaltquoten und Imagepunkte der Welt. Ich habe mein Innerstes erreicht! Ach, Marga Siever, ich hab dich lieb. Ich bin über meinen Schatten gesprungen. Luise Weiser, ich und Guildo, wir haben dich lieb. Ich habe meine Sinne zu neuem Leben erweckt! Ganz ohne Nussecken und Nougatschnittchen!
    Auch die anderen Fastenbrecher waren den Freudentränen nahe.
    »Wärme, Süße, Geborgenheit, Energie und Kraft«, betete Annegret. »All das spüren wir jetzt unter unserer Zunge, am Gaumen, an den Lippen, wir schlucken jetzt.«
    Boh, ey. Voll die Erlaubnis. Wir dürfen, ey! Annegret hat ja gesagt! Wurks, wurks, ging es durch fünfundzwanzig ausgedörrte Fastenkehlen.
    »Wir spüren, wie die Nahrung unseren Körper bereichert, wir nehmen mit Freuden auf, was die Natur uns schenkt.«
    O ja, dachte ich. Das tun wir. Halleluja.
    »Ich kann nicht mehr«, stöhnte die dicke Zwillingsschwester und schob den angebissenen Apfel von sich.
    Ein paar Andere taten es ihr nach. Oh, dieses unglaubliche Völlegefühl! Bläh-bläh! Mäh-mäh! Ich bin satt! Und sprang doch nur über Gräbelein und fraß kein einzig Blättelein! Rülps-rülps!
    »Die Essensregeln beim Fastenbrechen lauten«, sprach Annegret: »Langsam essen, intensiv kauen, schweigen, in mich reinhören, bin ich satt? Stehenlassen, wenn der Körper signalisiert: Wenig ist genug für mich.«
    Wir schwiegen und hörten unseren Magen erschrocken rumoren und hörten den Darm »Ist da jemand?« schreien, und Annegret riet uns, jetzt zu dieser schweren Verdauungsarbeit mit einem Heublumensack ins Bett zu gehen und uns zuvor für morgen noch zwei Backpflaumen in einer Viertel Tasse Wasser einzuweichen. Zum

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