Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
mich an.
Oda-Gesine war umso herzlicher und netter zu mir.
Sie war unglaublich spendabel – nichts war ihr zu teuer, um mir das Leben angenehm zu machen.
Sie fragte kein einziges Mal, ob es noch nötig sei, Emil und das Baby mitzufüttern. Im Gegenteil. Sie erkundigte sich oft nach dem »Boy« und ob er sich auch wohl fühle, und sie kniff das grinsende und seibernde Paulinchen neckisch in die Wange und machte »duziduzidu!«. Aber ihre Gedanken waren natürlich bei dem Erfolg von »Wört-Flört«.
Immer wieder zog sie mich in ihr Büro und zeigte mir die Auswertungen von Studien, die sie hatte anfertigen lassen. Meine Akzeptanz war tatsächlich in allen Bundesländern und bei allen Altersgruppen um 12 bis 17 Prozent gestiegen. Die Durchschnittsnote für das Aussehen lag bei 2,9. Und Ausstrahlung und Charme und Sympathie wurden immerhin mit 2,5 bewertet.
»Das war ganz klar die Gewichtsabnahme«, freute sich Oda-Gesine. »Das war ein genialer Schachzug, vier Wochen zu fasten, glaub es mir!«
Die Einschaltquoten hielten sich zwar immer noch im unteren Bereich dessen auf, was der Sponsor, die Firma »Nesti-Schock«, die das »Wört-Flört-Tört« lieferte, gefordert hatte. Auch die Marktanteile waren nur mal so eben akzeptabel. Aber es war alles nicht mehr im katastrophalen Bereich. Es konnte eigentlich nur noch bergauf gehen!
Kurz vor Weihnachten schafften wir tatsächlich die Zwanzig-Prozent-Marktanteilgrenze. Wir konnten uns erleichtert in die Ferien zurückziehen.
Emil und ich feierten mit den Kindern ganz unspektakulär unter dem Weihnachtsbaum. Heiligabend rief Emil auf mein Drängen hin seine Mutter an. Er sprach lange auf Afrikaans mit ihr. Ich versuchte, etwas zu verstehen, aber es gelang mir nicht. Emil wirkte fröhlich und gelöst, er lachte und erzählte wie ein Wasserfall. Später wünschte die Mutter mir auch noch frohe Weihnachten. Bei ihnen sei es jetzt ganz heiß und bei uns kalt, ganz genau umgekehrt wie vor einem halben Jahr.
»Ja«, lachte ich, »Ihr Sohn hat auch wieder seinen Lieblings-Rollkragenpullover an!«
Sie zögerte einen Moment, und dann sagte sie, dass sie unheimlich froh sei, dass der Junge bei mir so gut aufgehoben sei. Er habe eine schlimme Zeit durchgemacht vor seiner Abreise, aber das wisse ich ja sicher.
O ja, dachte ich. Wenn du wüsstest, was ich weiß.
Aber ich war so froh für Emil, dass er dieses Geheimnis nun nicht mehr mit sich allein herumschleppte. Ich teilte es jetzt mit ihm. Die Mutter dankte mir für all meine guten Taten, die ich an ihrem Sohn vollbrachte, wobei ich sicher war, dass sie nur von einem Teil meiner guten Taten wusste. Emil und ich zwinkerten uns zu und grinsten uns an.
Dann kam die Bescherung. Die Jungen bekamen eine Carrera-Bahn, die sie gleich mit Emils Hilfe im Wohnzimmer aufbauten. Außerdem hatte ich ganz unauffällig die grünen Pudelmützen, die Emil als Gastgeschenk mitgebracht hatte, unter den Weihnachtsbaum gelegt. Und siehe da: Karl und Oskar fanden die Mützen obercool und mochten sie gar nicht mehr vom Kopf nehmen.
Emil überreichte mir errötend ein winziges Büchlein, es hatte das Format einer Streichholzschachtel. Er hatte es liebevoll selbst gebastelt und kunstvoll verziert.
Darin stand, in seiner eckigen Schrift mit der linken Hand geschrieben: »Alles, einfach alles, ob groß oder klein, wird zum Abenteuer, wenn man es mit der richtigen Person teilt.« (Kathleen Norris)
Ich war schrecklich gerührt. Ich drückte das verlegene Kalb im kratzigen Rollkragenpullover an mich und küsste es rechts und links auf die stoppeligen Wangen.
Die Jungen bekamen Schlittschuhe. Emil schenkte ich auch welche. Die ganzen Wintertage verbrachten wir auf den zugefrorenen Teichen des Stadtwaldes. Emil und die Großen tobten mit dem Eishockeyschläger über die Eisfläche, während ich mit den beiden Kleinen vorsichtig am Rand herumrutschte. Paulinchen im Kinderwagen lugte unter ihrer dicken Fellmütze hervor. Ihre braunen Knopfäuglein nahmen alles neugierig wahr, was um sie herum vorging. Katinkalein saß auf ihrem Schlitten und wollte gezogen werden. Wir waren eine große, fröhliche, lebendige, übermütige und ganz und gar harmonische Familie.
Ich blickte gegen die schrägstehende Wintersonne über das Eis. Bald würde es dunkel werden. Bald war das Jahr zu Ende. Wie soll dat nur wiggerjonn … Wat bleev denn hück noch stonn … ?
Oda-Gesine war unersättlich.
»Die Quoten sind noch nicht das, was wir uns erträumt haben. Nach oben
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