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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Durchsuchen der Passagiere und peinlichsten Kontrollgängen bat mich die Oberstewardess, doch mal in meinem Mantel nach der Bordkarte zu schauen. Ich zog die Bordkarte aus meiner Jeanstasche. Und da stand dann »Reihe 18« drauf!
    Da musste Schätzchen mitsamt ihrem Baby und dem Boy und dem Sack und Pack nach hinten wandern. Vor den Augen von hundert Passagieren, die alle seit zwanzig Minuten in der Maschine auf dem Rollfeld warteten!
    »Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort«, hatte Oda-Gesine bollernd gelacht.
    »Ja, aber das hat der Lutz versiebt! Der bucht sonst immer Business für mich!«, hatte ich mich noch zu verteidigen versucht.
    »Das interessiert die Fernsehzuschauer einen feuchten Kehricht, Schätzchen! Da haben sie ihre Schlagzeile, um dich fertigzumachen! Karla Stein zu fein für die Economy? Du lieferst dich ans Messer! Wie kann man nur so dumm sein! Wegen einer SEMMEL!!!«
    Ausgerechnet Oda-Gesine hatte mir Fressgier vorgeworfen.
    Aber sie hatte wie immer recht. Und jetzt machte ich schon wieder Unfug! Grober Unfug war das, was ich hier trieb! Karla Stein mogelt sich auf Kosten der österreichischen Steuerzahler in die Wiener Staatsoper! DAS wäre eine Schlagzeile! Katastrophe! Die zwei Prozent Ösis, deretwegen ich mich hier in Wien hatte zum Narren machen lassen, würden mich bei lebendigem Leibe in Stücke reißen, statt mir ihre Sympathie zu schenken!
    Und DOCH! Ich WOLLTE diese Oper sehen. Jetzt und heute.
    Ich stellte entschlossen mein Sektglas ab und reihte mich in die Schar der Opernfreunde ein, die nun zielstrebig zu ihren Sitzen eilten. Wieder musste ich an einer Kartenabreißerin vorbei. Hier konnte ich ja schlecht behaupten, eine Mitwirkende, womöglich noch in einer tragenden Rolle, zu sein. Also schritt ich, sehr in die Lektüre meines Programmheftes vertieft, das ich auf ehrliche Weise für fünfzig Schilling erworben hatte, an der Abreißerin vorbääi.
    Doch diese roch gleich Lunte. Sie zog mich am Ärmel.
    »Ihr Billett, bittschön!«
    Ich hatte Herzklopfen bis zum Halse. Was für Personen kommen ohne Billett in den Zuhörersaal? Abreißerinnen. Kontrolettis. Sanitäter. Feuerwehrleute. Doch die sind anders angezogen.
    »Theaterarzt«, sagte ich mal so vage, indem ich weiterblätterte. Schön den Kopf oben lassen.
    »Das kann schon mal gar nicht sääin«, sagte die Frau.
    Nee. Stimmt. Ich lüge, was das Zeug hält. Abführen.
    Schlagzeile. Karla Stein drängelt sich in die Oper und lügt auch noch ein Programmfrollein an.
    »Wieso, bin ich da falsch hier? Normalerweise macht das immer ein Kollege …«, log ich weiter. Herr, schick einen Blitz. Ich WOLLTE doch nicht mehr so Sachen machen.
    »TheaterÄRZTIN«, korrigierte mich das Frollein streng. »Da gehn’s aaf die reechte Sääite …« Sie winkte ihrer Kollegin, dass ich nun käme und sie mir määinen Plaatz zääigen solle.
    Geschafft. Geschafft! Ich war im Zuschauerraum! Nun würde ich natürlich mitnichten zur Kollegin gehen, denn die würde bemerken, dass längst ein Theaterarzt auf seinem Platz saß.
    Jetzt hieß es nur noch, wachen Auges einen freien Platz zu erspähen. Und zwar genau in dem Moment, wo der Dirigent den Taktstock hob. Vorher könnten sie dich noch verscheuchen. Und dann wäre das Aufsehen größer als zuvor.
    Wo finden sich denn in so äänem Opernhaus am unauffälligsten freie Platzerln? Wo nicht sechsunddreißig Leute aufstehen und den Bauch einziehen müssen, wenn einer im letzten Moment kommt?
    In den Logen. Ganz klar. Also wieder raus? Zu riskant.
    Warten. Aber einfach stehen und starren? Zu auffällig. Leute mit einer Karte gehen auch zu ihrem Sitz. Ein bisschen winken. Das ist gut. Angestarrt wurde ich sowieso schon. Ist das nicht die … doch das ist sie … oder ist das nur die jüngere Schwester? Im Fernsehen schaaut die immer so unvortääilhaft aaus.
    Ich winkte imaginären Freunden und Freundinnen zu, die alle in Scharen über der Brüstung lehnten und mit ihren Operngläsern auf mich hinabblickten. Dabei fixierte ich eiskalt die freien Logenplätze. Da vorne. Fünf Stühlchen harrten noch der ausladenden Hintern ihrer Besetzer. Eines davon würde doch Mitleid mit mir haben?
    Ein einzelner Herr saß in der Loge und blätterte in seinem Programmheft. Die Lichter im Saal gingen aus. Das Orchester hörte auf, die Instrumente zu stimmen.
    Ich wühlte mich eilig zwischen den letzten hereinhuschenden Gestalten hindurch, schwang mit kühnem Schwünge mein Bein über die Brüstung und ließ

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