Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
gebügeltes Stofftaschentuch. Welch edler Ritter.
Während ich hemmungslos in sein leinenes Tuch schneuzte, bestellte Jo Melange und Gebäck. Ich fühlte mich heimelig und geborgen.
Jo nahm meine eiskalte Hand, in der ich das Taschentuch zerknüllte.
»Irgendetwas schääint dich zu bedrücken!«
»Ach, es ist nichts«, sagte ich. Es geht dich ja auch gar nichts an, mein Lieber. Wer bist du überhaupt?
»Wääißt was, Kaarla, du schaaust recht unglücklich aaus!«
Bin ich auch, Wiener. Aber ich halte die Klappe. Ich kenn dich doch gar nicht. Dachte ich. Und sagte gleichzeitig: »Wenn du es genau wissen willst, ich bin unglücklich verliebt.«
KARLA! Bist du bescheuert? Was erzählst du dem Kerl!
»Siehst du, das habe ich mir gedacht«, lächelte Jo verständnisvoll. »Aber läider nicht in mich.« Er tätschelte meine Hand.
»Ja, leider.« Ach, nun war es heraus. Wie erleichternd.
»Und in wen bist du unglücklich verliebt?«
Das willst du wohl gern wissen, was? dachte ich. Und sagte: »In meinen gottverdammten Au-pair-Jungen.« KARLA! Halt die SCHNAUZE! Wie KANNST du dem Burschen das auf die Nase binden?
»In den juungen Kearl? Wie häißt er gläich?«
»Emil.«
Mein Gott. Karla. Warum erzählst du dem das?!
Weil er so nett ist, so gütig, so verständnisvoll. Weil er so liebe braune Augen hat. Weil er mir sein Taschentuch leiht, weil er mir eine Melange bestellt und den Mantel aufhängt. Weil ihn meine Einschaltquoten nicht interessieren. Weil er mich ehrlich mag. Aufrichtig und ehrlich. So. Darum erzähle ich es ihm. Er hat es verdient.
»Ja und … ist er auch in dich verliebt?«
Der Kellner brachte die Tassen. Die Melange dampfte vor Jos Nase. Sah verdammt lecker aus. Ich wartete mit meiner Antwort, bis der Ober sich wegbequemt hatte.
»Ach, Jo, das sollte ich dir gar nicht erzählen. Ich bin verrückt, dass ich drüber spreche.«
»Manchmal hilft es, wenn man ääinfach mal sein Herz auf der Zunge trägt …«
»Ja, das mach ich leider oft.«
»Schaau, du bist ein Mensch, der in den Medien ist, du musst dich stäändig füarchtn, ob du auch das Reechte sagst, jeedes Wort von dir legen’s auf die Gooldwaage.«
»Ja«, sagte ich erleichtert. »Genau. Das ist schon verdammt hart!«
Ach, Gott, nun tat ich mir auch noch selber leid.
Jo hielt meine Hand.
»Wie bist du ääigentlich an den Burschn gekommen?«
»Über eine Agentur.«
»Und wie ist es dann passiert? Mit’m Verlieben?«
»Ich … sollte nicht darüber sprechen.« Vorsichtig nippte ich an meiner Melange.
»Du, da muusst an gut’n Cognac rräinmischn, dann hast a Kääisermelange!« Er schnippte nach dem Ober. »Wääißt, oft sind fremde Menschen die beesten Zuhörer!«
Ich trank das köstliche heiße Gebräu und brabbelte los: »Ich hab gedacht, dass er auch in mich verliebt ist. Bis vor Kurzem hab ich’s gedacht.«
»Und jetzt? Ist’s eh schon vorbäi?«
»Er ist zurzeit dauernd mit dieser Praktikantin zusammen.« Ich zog verächtlich die Nase hoch.
»Die Klääine? Das Herzerl! Die ist Praktikaantin. Das ist delikaat!«, sagte Jo begäistert.
»Find ich nicht!«, grollte ich. »Das Mädel ist gerade mal sechzehn. Ihre Mutter hat mich angerufen und mir befohlen, auf die Beiden aufzupassen. Das ist absolut lächerlich.«
Jo schlürfte genießerisch an seiner Melange. Ich fasste immer mehr Vertrauen zu ihm.
»Wir hatten es bis vor Kurzem so schön! Wir waren eine richtig glückliche Familie, so albern das klingt.«
Ich schneuzte mich schon wieder. Der Kellner stellte einen Schnaps vor mich hin.
»Ist der für mich?«
»Hat der Herr geordert.«
Jo grinste. »Musst du unbedingt probieren. Marillenlikör.«
Ich kippte das Zeug dankbar herunter. Es schmeckte klebrig und süß, genauso, wie mir jetzt zumute war.
»Ist das nicht eine saublöde Geschichte?« fragte ich.
»Da verlieb ich mich in meinen Au-pair-Jungen, der exakt zwanzig Jahre jünger ist als ich. Übrigens«, ich hob mein Glas, »ich bin gestern vierzig geworden!«
Sofort sprang Jo auf und drückte mir rechts und links ein zartes Küsschen auf die Wangen – er roch unglaublich gut nach einem vanilligen Herrenparfum – und winkte dem Kellner, auf dass er Champagner brächte.
Wir saßen so gemütlich im Warmen und tranken auf mich und auf die Jugend, auf Emil, auf meine Einschaltquoten und sogar auf Melanie. Ich plauderte vertrauensvoll über Emil und mich, und als Höhepunkt schilderte ich naseschneuzend, wie wir uns unter Brombeerbüschen das
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