Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
Hürde.
»Ich bin Karla Stein«, sagte ich mitleidig zu dem Bediensteten und ging festen Schrittes an ihm vorbei.
»Aah so, entschuldigen’s …« Hinter mir ließ ich ein völlig verwirrtes Pförtnerlein zurück. Wer war Karla Stein? War das nicht die aus »Wört-Flört?« Was hatte die mit dem »Rosenkavalier« zu tun?
Puh. Das hatte geklappt.
Nun war ich im Inneren der Oper. Aber noch lange nicht da, wo ich hinwollte. Nämlich ins erste Parkett. Möglichst dritte Reihe, Mitte.
»Welche Besetzung ist heute dran?«, fragte ich strengen Blickes ein vorbeieilendes Mädel vom Chor.
Sie schaute mich gehetzt an, in ihrem Kopf rotierte es. Wer ist das noch gleich, die muss ich kennen, aber woher … bestimmt ist die wichtig.
Sie nannte ein paar Namen. Die meisten waren amerikanisch, ein finnisch klingender Name war auch dabei. Das Einzige, was ich verstanden hatte, war »Iris«.
»Ach, die Iris«, sagte ich lässig. »Klar. Die gute alte Iris. Singt die auch mal wieder hier. Wurde auch Zeit.«
Das Mädel eilte weiter.
Als mich kurz darauf eine Garderobiere fragte: »Zu wem wollen’s, bittschön?«, antwortete ich forsch: »Zur Iris.«
Hoffentlich gab es in diesem Opernhaus nicht allzu viele Irisse, die irgendwo in finsteren Nischen steckten!
»Määnens jetzt aaus’m Chor oder aaus’m Balläätt oder den Octavian?«
»Letzteres«, sagte ich liebenswürdig.
»Die singt sich ääin«, sagte die Frau.
»Das ist vernünftig. Wie komm ich dann jetzt in den Saal?«
Schwupp, führte die Frau mich durch verschlungene Gänge und Treppen, öffnete ein paar schwere Eisentüren, über denen »Durchgang nur für Aängewäähte« stand, und schubste mich über eine dunkle Schwelle.
Immerhin stand ich jetzt schon im Foyer. Feierliche Vorfreude, Sektgläser blinkten im Lichte der Kronleuchter, gepflegt gekleidete Menschen parlierten dezent miteinander. Ich liebte diese Atmosphäre, ich fühlte mich stolz wie Oskar, dass es mir gelungen war, in diese heiligen Hallen vorzudringen.
»Danke, und beste Grüße an Iris!«
Die Frau verschwand.
Die Leute steckten die Köpfe zusammen und tuschelten.
Auf wienerisch, vermutete ich. Wer ist die glääich, und ist das nicht die Moderatoorin vom »Wöat-Flöat«, und schaut’s nicht in Wiaklichkäät viel beessa aaus?
Ich trank mir mit einem Glas Sekt Mut an. Jetzt hieß es weiter Haltung bewahren. Sich vorzustellen, dass gleich eine Platzanweiserin mich am Wickel packte und mit den Worten »Daas ist nicht gestaattet!« vor den Augen der Leute auf die Straße schubste! Wie pääinlich! Wo doch die Leute mich eindeutig erkannt hatten!
Tja, Schätzchen, hörte ich Oda-Gesine beckmessern. Als Promi darfst du dir solche Eskapaden natürlich nicht leisten. Das steht morgen in fetten Lettern in der Zeitung.
Das kann dich deinen Kopf kosten. So ähnlich wie dein peinliches Upgrading im Flugzeug letztens. Und das Salzstreuergeklaue immer in den Hotels. Das kommt irgendwann ans Tageslicht.
Ach, Mist, warum hab ich dir das überhaupt erzählt! Immer musste ich Oda-Gesine alles brühwarm beichten. Anscheinend brauchte ich das regelrecht, dass sie mich rügte und mir Minuspunkte ins Klassenbuch schrieb. Und mit diesem Klassenbuch konnte sie in jeder noch so unpassenden Situation vor meinen Augen wedeln. Das tat sie gerade im Moment.
Ich erinnerte mich zusammengekniffenen Auges an diese schreckliche Blamage vor einigen Wochen. Die Maschine von Köln nach München war einfach nicht gestartet. Zwanzig Minuten lang stand dieser blöde Hüpfer auf dem Rollfeld und hob nicht ab! Die Stewardessen kontrollierten jeden einzelnen Passagier. Jeder musste sein Ticket vorzeigen, jeder, nur Karla Stein nicht. Dabei hatte Karla Stein sich einfach ein bisschen nach vorn gesetzt. Weil sie Lust auf eine Semmel hatte.
Es war einer der grässlichsten Momente in meinem Leben, als die Stewardess schließlich sagte: »Frau Stein, dürfte ich bitte mal Ihre Bordkarte sehen?«
»Die ist vorne in meinem Mantel«, hatte ich errötend gestammelt. Meine Hände waren kalt und klamm geworden.
»Die fliegt immer Business«, hatte die Oberstewardess der Unterstewardess zugezischt.
Und das tat ich ja normalerweise auch. Aber der nette kleine Disponent, Lutz mit der Baskenmütze aus dem Sekretariat, der hatte diesmal nur Economy gebucht. Vielleicht, weil die Quoten immer noch nicht stimmten?
Weil DER SENDER nun doch an mir sparen wollte? Und das hatte ich ja gar nicht eingesehen!
Nach zweimaligem weiteren
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