Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
durch den Stadtwald, räumst die Spülmaschine aus, knibbelst die festgebackenen Beruhigungssauger vom Teppich, hältst meine bezaubernde Tochter bei Laune und schaukelst das Baby in den Schlaf! Und einmal im Monat fliegst du mit mir nach München. Kennst du »Wört-Flört«? Kennst du natürlich nicht.
»Karl! Ja, wo steckt er denn! I have another son, his name is Karl, but he is disappeared! He is a little bit shy, you know!«
Emil nickte blass und trabte hinter mir her, das Blümchen andächtig in beiden Händen. Wir schoben die Kinder und die Koffer und den Kinderwagen durch die Sperre und beteuerten, dass wir nichts zu verzollen hätten.
»Wieso hat der so dicke Sachen an?«, fragte Oskar beinebaumelnd.
»Weil in Südafrika Winter ist. Isn’t it? You have winter time now?«, schrie ich hinter mich, um Konversation bemüht. Wo Karl nur steckte! Der konnte sich doch nicht einfach so verkrümeln!
Katinka wurde mir nun doch zu schwer. Mein Busen schmerzte, sooft sie sich an ihn drückte. Nein, Kälbchen, muhte die Mutter-Kuh, du bist nicht das richtige Tier! Das richtige Kälbchen ist im Kinderwagen und schläft! Die Hitze eines Julimittags schlug uns entgegen. Mir lief der Schweiß den Rücken runter.
»Mama, du sollst Achterbahn mit mir fahren! Los! Wenigstens im Kreis! Schneller!« Oskar hatte nie den Sinn für den richtigen Augenblick. Nie.
Wir schoben durch die Autoschlangen, bis wir endlich auf dem Parkplatz waren.
Dort lehnte wie eine Fata Morgana in flirrender Hitze, mit lässiger Geste Lakritzschnecken verspeisend, Karl am Kleinbus. »Na endlich! Ich warte hier seit Stunden!«
»Das ist Emil«, sagte ich, während ich nach dem Autoschlüssel kramte. »This is my eldest son, Karl.«
»Hi«, sagte Emil scheu. »How are you?«
»Spricht der etwa kein Deutsch?« Karl ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und schnallte sich an.
»He! Du könntest uns mit dem Gepäck helfen und Katinka anschnallen und einfach ein bisschen höflicher sein!«
»Wozu soll ich höflich sein, wenn der das nicht versteht?«
»Du könntest ihm wenigstens eine Lakritzschnecke anbieten, das versteht man auf der ganzen Welt!«
Karl hielt genervten Blickes seine Haribo-Tüte aus dem Autofenster. Emil schüttelte den Kopf.
»No, thank you.«
Mein Mutterhirn überlegte kurz, ob es pädagogisch wertvoll sei, meinen verwöhnten Herrn Sohn jetzt aus dem Auto zu prügeln und vor Emils Augen zu belehren und zu maßregeln und ihn Koffer und Kleinkinder wuchten und zur Strafe hinten sitzen zu lassen. Ich tat es nicht. Ich war ziemlich sicher, dass es weder für Emil noch für Karl der Beginn einer wunderbaren Freundschaft wäre. Außerdem war mir heiß, und der Busen tropfte.
Wir fuhren los. Es ging über die Autobahn, vorbei an hässlichen Industriegebieten mit rauchenden Schornsteinen. Großmärkte und Autohäuser wechselten einander ab. Ich warf einen Blick in den Rückspiegel. Katinka saß in ihrem Kindersitz und baumelte mit den Beinchen. Oskar hampelte wie immer herum und ließ Tischchen und Flaschenhalter herunterklappen, um Emil zu imponieren. Emil hockte still in seinen drei Pullovern und schaute geradeaus. Das Baby lag in seiner Haftschale und schlief.
Ich wusste genau, wie Emil sich jetzt fühlte. Mir ging es ja schon so, wenn ich irgendwo ankam, wo ich nur drei Wochen meine Ferien verbringen sollte. Es war der blanke Horror, auf einer spanischen Insel anzukommen und an den ganzen Stieren vorbeizufahren, die für eine Sangria-Marke Reklame machten, in sengender Wüste, wo kein Baum wuchs und kein Strauch, wo es nur hässliche, schmucklose Industrieviertel gab, kaputte Autos am Wegesrand und Gedörr, und noch ein Stier und noch ein Stier, bis man dann endlich irgendwo an einer Schnellstraße abbog, hinein in ein Touristenviertel, wo sich Hotel an Hotel reihte, wo die prallschenkeligen Touristen in weißen Shorts und Badeschlappen gelangweilt über den Bürgersteig latschten, vorbei an Geschäften, aus denen Luftmatratzen und Schnorchelbrillen quollen, vorbei an Kneipen, vor denen dickbäuchige, rotverbrannte Pauschalurlauber saßen, bewaffnet mit Sangria-Gläsern und mit der »Bildzeitung« vor der Sonnenbrille. O ja, ich kannte dieses Gefühl. Nur weg hier, und was soll ich hier, und hier sind alle bescheuert, und ich will nach Hause.
Ach, Emil! Ich versteh dich ja so gut! Bei dir in Südafrika sieht alles ganz anders aus, und da sprechen sie afrikaans und fahren links. Und deine Mama hat dich lieb und hat bestimmt
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