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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Ist doch alles eine Frage der Konditionierung.«
    »Langweilig«, sagte Oskar.
    Ich dachte an die armen Schweine, die mit neunzehn oder zwanzig beim Militär zum ersten Mal ein Handtuch falten oder ein Bettlaken geradeziehen müssen. Und dann kriegen sie einen Wischeimer in die Hand gedrückt und werden angeschnauzt, sie sollen ihr Spind putzen. Und dann? Dann stehen sie da mit ihrem Abitur und ihren Computerprogrammiertechniken, aber sie haben keine Ahnung, wie man einen Wischlappen ins Wasser taucht. Und sie fühlen sich als Versager und wollen nicht mehr dem Vaterland dienen. Aber dann kriegen sie Hausarrest, und der fette Unteroffizier mit den Stoppelhaaren und dem Doppelkinn reißt ihre Klamotten wieder aus dem Spind und brüllt sie an und fühlt hinterlistig unterhalb der Schubladen nach Staub, und dann müssen sie mit der Zahnbürste die Unterseite der Schubladen putzen. Und dann wollen sie nach Hause und weinen nachts heimlich auf ihrer Pritsche nach ihrer Mama. Das MUSS doch nicht sein. Davor kann man sie doch bewahren. Rechtzeitig.
    »Außerdem braucht ihr einen großen Bruder, der mit euch Drachen steigen lässt und Fußball spielt und übers Gartenmäuerchen springt und im Wald auf Bäume klettert und lange Fahrradtouren unternimmt und sich richtig dreckig macht«, sagte ich.
    Die Jungs bekamen leuchtende Augen. »Das macht der? In e-hecht?«
    »Da will ich doch mal von ausgehen«, brummte ich.
    Die Jungs hatten es verdient. Und es wurde höchste Zeit. Karl war elf und damit mitten in der Pubertät, und Oskar war sieben. Wir brauchten einen Mann im Haus.
    Senta hatte erst sehr viele Einwände gehabt. »Aber so’n Junge ist es sicher nicht gewöhnt, im Haushalt zu helfen.«
    Na und, verdammt! Dann GEWÖHNT er sich dran!
    »Wenn sich einer nach dem Abitur entschließt, Au-pair-Männchen zu werden, dann ist er hochmotiviert«, widersprach ich eigensinnig. »Besser, er lernt’s auf diese Weise als später in der Ehe! Dann ist es meistens schon zu spät!«
    »Trotzdem. Es ist ungewöhnlich, und du wirst dir nur wieder Neid einfangen. Erst trennst du dich von Paul, und dann mietest du dir einen Mann. Sie werden über dich reden. Und die Zeitungen werden darüber schreiben.«
    »Das ist mir egaler als egal«, erwiderte ich. »Lass sie reden. Leute, die über andere reden, haben Langeweile. Sonst nix.«
    Natürlich wusste ich, dass die Leute reden würden. Und natürlich war es mir nicht egal. Aber ich hatte mich dafür entschieden. Und es war meine Sache, was ich tat.
    Der Junge, den ich heute vom Flughafen abholen wollte, war gerade mal neunzehn. Ich setzte große Hoffnungen in ihn, obwohl ich ihn noch nie gesehen hatte. Die Au-pair-Agentur hatte mir vier Bewerbungen geschickt. Ich hatte mir nur die Fotos angeguckt, sonst nichts. Und der Eine, der mit dem feinen Gesicht und den braunen Augen, der mit den kinnlangen dunkelbraunen Haaren, der musste es sein. Er hieß Emil und kam aus Südafrika.
    Der uniformierte Wichtigmann im Flughafen kannte mich. Ich hetzte öfter mal kurz vor Ende der Eincheckzeit mit meinen zwei Köfferchen an ihm vorbei.
    »Wo soll’s denn heute hingehen?« Der Uniformierte mit dem wichtigen Blick in seinem wichtigen Kontrollhäuschen taxierte mich prüfend. Ich hatte drei Kinder im Schlepp, schob einen Kinderwagen vor mir her, hatte zerdrückte Blümchen in der freien Hand und kein Flugticket.
    »Nur die Treppe runter, Chef!«
    Er nickte gnädig. »Aber nur ausnahmsweise!«
    Dass so Wichtigtuer immer das letzte Wort haben müssen!
    »Ausnahmsweise!« oder »Wenn das jeder machen wollte!«. Ich BIN nicht jeder! Und Grenzen sind dazu da, überschritten zu werden. Kontrollhäuschen sind dazu da, umrundet zu werden. Und wichtige Wichtigmänner mit Wichtigblick und Wichtiguniform sind die Herausforderung schlechthin.
    Wir bückten uns und wanden uns unter der Balustrade hindurch, um mit den Ankömmlingen aus Frankfurt die Rolltreppe hinunterzufahren.
    »Mama! Das ist verboten!« Karl schämte sich fürchterlich.
    »Ist doch geil!« Oskar fand alles toll, was verboten war.
    Katinkalein wollte auf dem Arm getragen werden, weil das Menschengedrängel sie einschüchterte. Ich stellte den Kinderwagen in die Ecke, dahin, wo niemand rauchte.
    »Aber jetzt nicht auf dem Kofferband rumfahren!«
    Oskar hüpfte an meiner Hand, Karl muffelte etwas abseits vor sich hin, Katinkalein schmiegte sich schutzsuchend in meine Halsbeuge. Ich hielt Ausschau nach diesem Jüngling, der nun unser Leben teilen

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