Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
Und daran, dass ein roter Teppich uns über den Kiesweg ins Innere des Hauses führt. Und daran, dass zwei dieser livrierten Burschen herbei springen, um Emil beim Aufklappen des nicht mehr ganz sauberen buntgestreiften Kinderwagens zu helfen.
Ich trug das schwarz-weiß karierte Kostüm Größe vierundvierzig von Senta, das ihr so gut stand und mir so überhaupt nicht. Aber in meine eigenen Sachen passte ich nach wie vor kein bisschen rein. Dabei hätte ich so gern mein weinrotes Kostüm angezogen, das enge mit dem kurzen Rock, oder wenigstens den schwarzen Hosenanzug mit dem Samtbesatz! Aber daran war nicht zu denken. Tröstlich zu wissen, dass es den Herrn Bundespräsidenten nicht für fünf Pfennige interessierte, ob ich Übergewicht hatte oder was ich in meiner Freizeit machte, wer mein Traummann war und ob das Halstuch mit den vielen goldenen Schnallen drauf von meiner Schwester Senta war oder aus dem Kostümfundus von DER SENDER.
Es interessierte ihn vermutlich auch nicht, wer der Kerl mit dem Bartflaum im Gesicht, mit den kinnlangen Haaren, in verwaschenen Jeans und verblichenem Sweatshirt mit der Schirmkappe auf dem Kopf war, der einen bunten Kinderwagen über den geharkten Kiesweg schob.
Viele Menschen hatten sich in den Saal geschart. Alle waren hochelegant gekleidet und feierlich gestimmt. Hier und da wurde dezent gesprochen oder gar gelacht. Einige Kellner reichten Champagner aus langstieligen Gläsern. Ich betrachtete andächtig den schönen Saal, die Gemälde, die geschwungenen Treppen, die Nischen und Spiegel, die gläsernen Kronleuchter, das feine Porzellan auf dem Büfett. Die Gattin des Bundespräsidenten erschien. Sie hatte ein dunkelblaues Kostüm an, das meinem in Schnitt und Form sehr ähnelte, und trug eine weißgestärkte Rüschenschürze.
Paul warf mir einen Blick zu. SO hat eine Ehefrau an der Seite ihres Gatten zu stehen! Ich blickte trotzig weg. Mehrere aufgeregte Redaktionsmitglieder der Sendung »Stilvoll kochen mit Christiane« standen um sie herum. Man führte mich und Emil und Paulinchen in die Küche der Herzogin, und dann bekam ich auch eine Schürze umgebunden, so sehr ich auch versicherte, dass ich nicht kochen könne!
»Ach, das macht doch nichts«, lachte die Präsidentengattin gütig, »wir wollen doch nur ein bisschen plaudern!«
Der andere prominente Mitkocher, der in die herzogliche Küche geladen war, war der berühmte Geiger mit dem Frack, den so viele Schwiegermuttis lieben und dessen Orchester ausschließlich aus vollbusigen Damen in Rokokokleidern besteht. Ich wusste, dass Paul diesen gelackten Walzergeiger, wie er sich auszudrücken beliebte, nicht im Mindesten schätzte, weder künstlerisch noch menschlich, aber das sollte nicht mein Problem sein. Hier ging es um Quote und Marktanteile, um Zuschauerbindung und Cross promotion.
Während Emil schüchtern mit dem verwirrt um sich blickenden Paulinchen in einer Ecke der Küche stand, bereitete die aufgeschlossene Präsidentengattin heiter Pfannkuchen mit Speck zu, und die Redaktionsmitglieder hielten Neger hoch, auf denen stand: »Zwiebelringe dünsten« und »Mit Speckschwarte Pfanne ausreiben« und »Ei mit Pfeffer schaumig schlagen«. Ich überlegte, ob Frau Präsidentin das SAGEN oder TUN sollte, aber sie war sehr gelassen und voll in ihrem Element, und während sie mich aufforderte, Orangenschalen in winzig kleine Fitzchen zu schneiden, plauderte sie mit dem Geiger im Frack über Johann Strauß. Emil stand in einem Winkel und schaute zu. Was ging bloß hinter seiner Stirn vor? Wie fand der wohl seinen Job in Deutschland? Ob er sich das alles so vorgestellt hatte?
Ich hackte und fitzelte Orangenschalen, bis es kleiner nicht mehr ging, und guckte zwischendurch heimlich auf Emil mit Paulinchen. Wenn sich unsere Blicke trafen, schnippelte ich hastig weiter. Die Kamera konzentrierte sich auf meine Orangenschalenschnipsel, und ich bedauerte, keine geschicktere Orangenschalenschnipplerin zu sein und mir vor dem Orangenschalenschnippeln nicht wenigstens die Nägel lackiert zu haben.
Später, als das Essen fertig und die Sendung »Stilvoll kochen mit Christiane« im Kasten war, bat uns die Präsidentengattin zu einem stilvollen Mittagessen mit Christiane. Schön lecker Mittag essen. Mit Speckpfannekuchen an Orangenschalenmus. Wir wanderten alle andächtig in den Speisesaal des Präsidentenpalastes. Der Walzergeiger band sich die Schürze ab und plauderte unentwegt mit der Präsidentengattin.
Ob Emil wusste, wo er
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