Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
Vom Netzwerk:
nicht ganz so romantisch.
    »Alter Penner!«, rief ich halblaut. »Könntest du mich freundlicherweise rein lassen?!«
    »Jou!« Emils Kopf verschwand wieder.
    Kein Babygeschrei drinnen. Mein Paulinchen hatte mich nicht vermisst.
    Ich kletterte mit zitternden Knien wieder über das verdammte schmiedeeiserne Gitter und schleppte mich zur Hoteltür zurück. Eins war klar: Dieses würde unsere letzte Nacht in dieser Kaschemme sein.
    Emil war nur mit einer knappen Unterhose bekleidet. Sein Oberkörper glänzte im spärlichen Flurlicht.
    »Hat Paulinchen nicht geweint?«
    »Doch, aber ich habe ihr Tee gegeben.«
    »Seit wann schläft sie?«
    »Seit drei Stunden.«
    Ich schob mich hinter Emil in sein Zimmer. Was sollte ich in meiner ungemütlichen, kalten, dunklen Bude? Ich suchte Nähe, Wärme, Menschlichkeit, den Atem meines Kindes und den Geruch von einem lebendigen Menschen.
    Emil stand vor mir, schlaftrunken, zerzaust, und unglaublich schön.
    Ich warf einen Blick auf sein Bett: Da lag mein kleines Paulinchen, hingestreckt in der schlafwarmen Mulde, mit geschlossenen Äuglein, und atmete ganz leise und ganz gleichmäßig vor sich hin. Ein bisschen zuckte sie im Traum. Und ihre drei kleinen Härchen auf dem Kopf wippten im Schein der Nachttischlampe.
    »Kann ich einen Moment hierbleiben?«
    »Jou.«
    Emil wischte einen Haufen Jeans, T-Shirts und Pullover vom einzigen Sessel. Auf der alten, spießigen Kommode stand der Fläschchenwärmer. Das Lämpchen ging gerade an und machte leise »Plopp«. Sonst war kein Geräusch zu hören.
    Ich ließ mich auf den Sessel sinken und betrachtete das rührende Stillleben in dieser ungewöhnlichen Jungmännerbude. Ein wunderschönes, heimeliges Chaos, das ein Zipfelchen Geborgenheit verlieh.
    Emil stand unschlüssig vor mir.
    Ich wusste auch nicht, wo ich hinschauen sollte.
    Eigentlich wäre es angesagt zu gehen.
    Endlich richtete Emil das Wort an mich:
    »Willst du was trinken?«
    »Klar, Mann. Mach ’n Champagner auf!«
    »Hahaha. Sehr witzig.«
    »Minibar? Dü gübt’s hür nüch!«
    »Aber du musst was Heißes trinken!«
    »Was hättest du denn anzubieten?«
    Emil machte sich an dem Durchlauferhitzer zu schaffen.
    »Babytee?«
    »Meinetwegen.«
    »Wie geht es dir heute?«
    »Nicht so toll.«
    »Hast du aber toll ausgesehen.«
    »Stimmt nicht, Emil. Nicht lügen.«
    Emil lächelte, während er mit dem Teepulver hantierte.
    »Aber hattest du nicht soviel schwarze Flecke in Gesicht.«
    Er reichte mir ein Baby-Oltuch. Ich wischte verschämt in meinem Gesicht herum. O Gott, wie peinlich. Verregnete, alte schwarze Krähe weckt herrlich schlafenden Knaben mitten in der Nacht, nur weil sie zu blöd ist, einen Hotelschlüssel mitzunehmen. Und platzt dann auch noch in sein Privatgemach, statt sich unauffällig in ihr Kämmerchen zu verdrücken.
    Emil reichte mir die dampfende Tasse. Ich wärmte dankbar meine Hände daran.
    »Du hast dir verletzt!«
    Erst jetzt bemerkte ich, dass zwei Finger bluteten. Das war die verdammte, kalte schmiedeeiserne Gittertür.
    Emil kniete sich neben mich und wischte vorsichtig mit einem weiteren Öltuch auf meinen schmutzigen Fingern herum. Ich spürte nichts. Ich hatte einfach kein Gefühl mehr in den Fingern. Aber es war schön, dass er da war.
    Ich schlürfte dankbar meinen Tee. Er schmeckte nach nichts, nur nach heißem Wasser und ein bisschen nach Kamille. Wirklich, sehr romantisch.
    »Dir ist kalt, Emil«, sagte ich. »Geh wieder ins Bett!«
    »Nein«, sagte Emil. »Ich glaube, du bist kalt.«
    Kein bisschen, dachte ich. Das ist ja das Schlimme.
    Er nahm die Bettdecke und breitete sie über mich. Paulinchen deckte er mit seinem grobgestrickten Pullover zu. Die Bettdecke roch nach Emil. Und von der Kirchturmuhr schlug es Mitternacht.

»Du sollst zu Oda-Gesine kommen«, begrüßte mich Rolf, als ich am nächsten Morgen das Gelände betrat.
    Ich hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Nicht eins. Und so sah ich bestimmt auch aus. Alt, grau, übernächtigt, das wandelnde schlechte Gewissen.
    O Gott. Ich hatte es gewusst. Sie würde mich zur Rede stellen. Jennifer hatte geplaudert. »Hach, wie nett von der Karla, sie hat mir den Tipp gegeben, den Einser-Kandidaten zu wählen, und ich kann nur sagen, alles andere wäre auch nicht in Frage gekommen …«
    Ich schluckte an einem dicken Kloß. Jetzt war alles aus. Erst die schlechten Kritiken, die mittelmäßigen Einschaltquoten, die üblen Briefe, der kopfschüttelnde Herr Bönninghausen, die nicht anbeißen

Weitere Kostenlose Bücher