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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Die Arme. Hat wieder keine Intelligenzbestien angeschleppt heute. Doch. Der auf dem ersten Schemel. Kandidat eins. Das ist ein ganz netter. Ein gutaussehender, gebildeter junger Mann aus Hannover, höflich und charmant. Und Segelflieger! Ihr würdet wirklich gut zueinander passen, Jennifer!
    Die Stewardess und ich wechseln einen Blick, ihre Augen fragen mich was, mein Gott, Mädchen, ich beschwöre dich, wenn du dich nicht unglücklich machen willst, dann entscheide dich weder für den Vokuhila aus Wanne-Eickel noch für den frängischen Bocks-Dummbeudel aus Schweinfurt. Die Kamera ist aus, Sascha tupft gerade auf der frängischen Denkerstirn herum, ich wende mich unauffällig vom Publikum ab und bewege tonlos die Lippen: »Nimm die Eins!«
    Das war reine Frauensolidarität! Aber als Moderatorin darf ich keine Tipps geben! Selbst das mach ich noch falsch! Ich bin absolut ungeeignet für den Job! Aber vielleicht hat sie es gar nicht mitgekriegt. Sascha ist inzwischen herbeigeeilt und reicht ihr ein Kleenex, weil sie Lippenstift auf den Zähnen hat.
    Es geht weiter. Kamera an. Zum zwanzigsten Mal. Endlich. Der Frängische hat’s z’sammbracht. Dann back isch wie mai Voddämann mai Bropellä aus, abbä im Geggesatz zu dem steh isch net auf naturtrüben Saft, sondän auf Gärschtensaft. Nur schlürfen musst du ihn noch selbst.
    Hahaha!! Das Publikum grölt und johlt, Herr Bönninghausen lacht, dass ihm die Augen aus den Höhlen treten, und Oda-Gesine haut sich auf die Schenkel.
    Jennifer. Tu’s dir nicht an.
    »So, liebe Jennifer«, sagt die Stimme von Hansi im Hintergrund, »jetzt musst du dich entscheiden.«
    Ich sehe sie beschwörend an.
    Sie nimmt die Eins. Mir zittern die Knie. Ob Oda-Gesine was gemerkt hat? Oda-Gesine stopft »Wört-Flört-Törts« in sich hinein. Herr Bönninghausen starrt mit unbewegtem Gesicht vor sich hin. Alle Mitarbeiter atmen auf. Das Publikum jubelt!
    Ich rufe: »Hier ist Iiihhhhr … ›Wört-Flört‹!«
    Die Wand geht auf. Na bitte. Die Beiden passen doch zusammen! Große, schlanke, schöne Menschen, gebildet und wohlerzogen, und die beiden anderen Typen sind davon gelatscht. Jennifer, das verdankst du mir. Halt bloß die Schnauze, Jennifer! BITTE!!!
    »Ihr macht eine Reise mit dem ›Wört-Flört‹-Jet …« Ich lese von der Karte ab, höre mir selbst nicht zu.
    Jubel im Saal. Beifall. Abgang. Wir setzen uns alle gemeinsam auf die Couch, deren Kissen Silvia unermüdlich aufgeschüttelt hat. Die Teddybären sitzen auf der Rückenlehne und starren mit gläsernen Augen in diese rosarote Plastikwelt. Silvia macht uns Zeichen, dass wir das Sektglas nehmen sollen. Aber mit der Schrift nach vorn! »Wört-Flört-Tröpf!« Wichtig, wichtig! Hab ich auch bei der Abmoderation »Servus« gesagt? Hab ich’s gesagt? Riemchensandalen, ich halt euch nicht mehr aus! Ich will raus! Aus dem Studio, aus dem Scheinwerferlicht, aus der Sendung, aus meinen engen Klamotten, aus meiner Schminke, aus meiner Haut! Heim! Nach Hause!
    Bloß nicht mehr Oda-Gesine begegnen! Oder Herrn Bönninghausen! Mit allen Fasern meines gebeutelten Herzens sehne ich mich nach meinem Paulinchen. Und nach Emil.
    Eine halbe Stunde später rannte ich durch das verlassene, öde Industriegebiet. In meinen eigenen, heißgeliebten flachen Schnürstiefeln. Mein Gott, wie können Frauen sich freiwillig solchen Riemchensandalen-Qualen aussetzen! Nur, damit Männer ihre Beine attraktiver finden? Wenn eine im Gesicht nicht genug zu bieten hat, muss sie sich was an die Haxen hängen. Auch wenn es schmerzt. Männer, wenn ihr wüsstet, was Frauen alles tun, um euch zu gefallen. Ihr tut das ja nicht. Ihr reißt euch weder die Haare aus der »Badehosenzone«, noch stöckelt ihr unter Schmerzen auf Pfennigabsätzen herum, damit auch wir eure Beine attraktiver finden. Ihr habt das nicht nötig, Kerls. Euch nimmt man so, wie ihr seid.
    Ich rannte. Paulinchen! Nicht weinen! Mama kommt! Ich keuchte im kalten abendlichen Herbstnebel auf einer gottverlassenen bayrischen Vorstadtstraße vor mich hin. Hoffentlich stand kein masturbierender Kerl hier irgendwo hinter einem Müllcontainer!
    Mein Herz schlug hoch. Vor Angst, vor Stress, vor Hetze, vor schlechtem Gewissen. Jetzt nur nicht daran denken, was ich eben verbockt hatte. Quatsch, Karla. Es hat kein Mensch gemerkt. Wir waren nicht auf Sendung! Oda-Gesine hat’s nicht gesehen. Herr Bönninghausen auch nicht. Jennifer wird schön die Klappe halten. Die ist froh, dass sie die Anderen nicht genommen

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